: Stefan Schwarzer, Ute Scheub
: Aufbäumen gegen die Dürre Wie uns die Natur helfen kann, den Wassernotstand zu beenden. Alles über regenerative Landwirtschaft, Schwammstädte, Klimalandschaften& Co.
: oekom verlag
: 9783987262494
: 1
: CHF 17.90
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: Natur und Gesellschaft: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 272
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Das Buch zeigt einen ganz neuen Blick auf die Klimakrise. Und eine Handlungsoption: Klimalandschaften!« Dr. Felix Prinz zu Löwenstein Dieses Buch wirft einen völlig neuen Blick auf die Klimakrise: Alle reden nur von CO2, dabei sind Dürre, Hitze und Fluten auch Folgen von massiven Veränderungen der Landschaft, Bodenversiegelungen und gestörten Wasserkreisläufen. Die gute Nachricht: Daran können wir etwas ändern, ohne darauf warten zu müssen, dass die nächste Klimakonferenz endlich Ergebnisse bringt. Lokale Gruppen und engagierte Kommunen können zwar nicht den CO2-Gehalt der Atmosphäre senken, wohl aber die Temperaturen vor Ort. Wasser und Vegetation sind dabei die Lösung: Gelingt es uns, mehr Wasser in der Landschaft zu speichern sowie Städte und Landschaften zu begrünen, kann es mehr regnen und kühler werden, die Überschwemmungsgefahr sinkt. So bekommen wir drei Lösungen zum Preis von einer: Klima-, Arten- und Gesundheitsschutz. Das Buch nimmt uns mit in intakte Flusslandschaften, Acker und Flure, zukunftsfähige Wälder sowie Städte, die Wasser wie Schwämme speichern, statt es in die Kanalisation zu leiten. Ein Buch, das Mut macht und zum Nachmachen inspiriert.

Stefan Schwarzer ist Physischer Geograph und Permakultur-Designer im Ökodorf Schloss Tempelhof. Er hat lange für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gearbeitet und ist Organisator von Tagungen und Webinaren zur aufbauenden Landwirtschaft und zu »Klima-Landschaften«. Gemeinsam mit Ute Scheub veröffentlichte er 2017 das Buch »Humusrevolution«.
Einleitung
Regeneration ist möglich
»Wenn Sie ein Dichter sind, werden Sie klar erkennen, dass in diesem Blatt Papier eine Wolke schwebt. Ohne eine Wolke gibt es keinen Regen; ohne Regen können die Bäume nicht wachsen; und ohne Bäume können wir kein Papier herstellen. Die Wolke ist notwendig, damit das Papier existieren kann. Wenn die Wolke nicht da ist, kann auch das Blatt Papier nicht da sein. Wir können also sagen, dass die Wolke und das Papier voneinander abhängig sind. ›Interbeing‹ ist ein Wort, das noch nicht im Wörterbuch steht, aber wenn wir die Vorsilbe ›inter‹ (›zwischen‹) mit dem Verb ›to be‹ kombinieren, haben wir ein neues Verb, inter-be. Ohne eine Wolke können wir kein Papier haben, also können wir sagen, dass es eine Beziehung zwischen Wolke und Papier gibt.«
Thich Nhat Hanh (1926-2022)
Was wäre, wenn die Erde ein einziges großes Lebewesen wäre? Die weltweit größten Urwälder im Amazonas- und Kongobecken, die Unmengen Sauerstoff produzieren, sind dann ihre beiden Lungenflügel. Die Gewässer sind die Blutadern, die ihren Stoffwechsel regulieren; die Flüsse sind die Venen und das unterirdisch fließende Grundwasser die Arterien. Die Haut der Erde ist der Boden, diese hauchdünne Humusschicht, schwarzbraun gefärbt durch den darin enthaltenen Kohlenstoff. Die Bäume und Pflanzen sind die Schweißdrüsen, die Wasser verdunsten, die Haut damit kühlen und den Kreislauf aufrechterhalten.
Jetzt, in Zeiten der Klimakrise, hat der Planet Fieber und die Temperatur steigt. Ein Jahr mit Hitze und Dürre toppt das nächste. Wie der Kabarettist und Klimaaktivist Eckart von Hirschhausen auf einer Kundgebung von Fridays for Future sagte, hat die Erde »Multi-Organversagen« und gehört auf die Intensivstation. Denn sie hat »eine schwere Infektion mit Homo sapiens und anderen Rindviechern«.
Das RindviehHomo sapiens, auch Menschheit genannt, hat seine Heimat durch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen so zerstört, dass ihre Heilung fast aussichtslos erscheint. Das Fieber wurde zweifellos durch die Verbrennung der fossilen Energiequellen angeheizt, die Treibhausgase freisetzten. Aber ist das der einzige Grund? Das Fieber wurde auch entfacht durch die Zerstörung der Haut und der Schweißdrüsen – durch die Umwandlung fruchtbarer Muttererde in eine beinah unfruchtbare Substanz, die Versiegelung und Asphaltierung des Bodens, das Niederbrennen und Abholzen der Wälder. Damit verliert die Patientin nach und nach die Fähigkeit, das Fieber selbst herunterzukühlen – mithilfe von Boden, Wasser und Pflanzen. Und wenn sie das nicht mehr kann, wer soll das dann übernehmen?
Viele Forscher und Klimaexpertinnen glauben, dass wir in einem neuen Wetter- und Klimaregime angekommen sind. Seit 2018 fällt in Deutschland und weiten Teilen der Erde Jahr für Jahr weniger Niederschlag als im Durchschnitt, verbunden mit heftigen Hitzewellen. Dieser Trend könnte sich zu beispiellosen Dürren verfestigen, die 10 bis 15 Jahre lang andauern könnten, warnt ein Team vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.1 Die Trockenheit in Deutschland und der Hälfte Europas betreffe eine sehr viel größere Fläche als in den 250 Jahren zuvor, schreibt das Forscherteam, das Wetterextreme von 1766 bis 2020 untersuchte. Außergewöhnlich findet es auch, dass die Temperaturen in den Trockenjahren im Schnitt 2,8 Grad höher lagen als zuvor. Dabei hatte es noch nicht einmal 2022 einbezogen, das in Deutschland zu den sonnenreichsten und heißesten Jahren seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gehörte.
Die Europäische Dürre-Beobachtungsstelle bestätigte: Die Trockenheit von 2022, die Hitzewellen, riesige Waldbrände, Ernteschäden und schätzungsweise 100.000 Hitzetote verursachte, könnte die schlimmste seit mindestens 500 Jahren gewesen sein. Europaweit litten 47 Prozent aller Flächen an Trockenheit, vor allem am Mittelmeer.2 Und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) meldete, dass die Temperaturen in Europa in den vergangenen 30 Jahren mehr als doppelt so stark angestiegen seien wie im globalen Durchschnitt. Alpengletscher hätten zwischen 1997 und 2021 rund 30 Meter an Eisdicke verloren. Europa weise die höchste Temperatur