: Valentina Mira
: X Roman
: Rotpunktverlag
: 9783039730094
: 1
: CHF 17.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 216
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Valentina hat sich ein Tattoo auf den Ringfinger stechen lassen, ein X, genau an der Stelle, wo das kleine Muttermal war, das gleiche wie auf dem Finger ihres Bruders. Als Kind war sie stolz auf dieses Zeichen der Zusammengehörigkeit, aber dann tauchte ihr Bruder ab, schloss sich der neofaschistischen Bande von G. an. Zum letzten Mal gesehen hat sie ihn im Video einer Überwachungskamera. An einem Weihnachtsabend ist er in die Garage der Eltern eingebrochen und hat ihre Autos zertrümmert. X ist ein Roman in drei Dutzend Briefen, die Valentina ihrem Bruder schreibt. Im Zentrum steht der Sommer 2010: Valentina hat gerade ein gutes Abitur gemacht, sie will studieren, aber zuerst wird gefeiert, gelacht und getrunken. G. ist auch auf dem Fest, er ist nicht nur ein Freund ihres Bruders, er ist auch ein Freund von ihr. Doch in dieser Nacht wird G. zu Valentinas Vergewaltiger. Valentina zeigt G. nicht an, sie schweigt, verschließt sich, isst nicht mehr. Nur ihrem Bruder versucht sie sich anzuvertrauen, aber er wendet sich von ihr ab. Erst Jahre später entschließt sich Valentina zu einem Befreiungsschlag.

Valentina Mira, 1991 in Rom geboren, hat nach ihrem Jurastudium als Kellnerin und in einem Callcenter gearbeitet. Geschrieben hat sie zuerst für den Corriere della Sera, Il manifesto und Il romanista. Heute ist sie Ghostwriterin, Übersetzerin aus dem Französischen und Mitautorin von »A parole nostre«, der feministischen Rubrik der Zeitung Il Fatto Quotidiano. X (2021) ist Valentina Miras erster Roman und wurde mit dem Premio Roberto Scialabba ausgezeichnet.

AN DEN ROTEN POWER RANGER


Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll. Sieben Jahre Funkstille sind echt lang. Ich muss mich auf meinen Instinkt verlassen. Und der führt mich – warum auch immer – zu einer Erinnerung, oder genauer gesagt zum Detail einer Erinnerung. Ich schreibe sie am besten einfach mal auf.

Die Erinnerung bist du im Wohnzimmer, das Detail ist die Art, wie dein rotes Power-Ranger-Kostüm sich mit dem Orange des Sofas beißt.

Es ist Karneval, und meine Mutter hat mich gezwungen, ein Sissi-Kleid anzuziehen. Ich kann noch nicht wissen, dass sie ein völlig untaugliches Vorbild ist, die magersüchtige österreichische Prinzessin Sissi, deren lila-perlweißes Kleid der große Renner unter uns Mädchen der neunziger Jahre ist, dieser Generation, die eine der höchsten Todesfallzahlen wegen Magersucht aufweisen wird. All das kann ich noch nicht wissen: Ich bin acht Jahre alt, bin noch klein. Ich weiß aber, dass der Stoff juckt und das