: Toni Keppeler, Laura Nadolski, Cecibel Romero
: Kaffee Eine Geschichte von Genuss und Gewalt
: Rotpunktverlag
: 9783039730100
: 1
: CHF 20,60
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 272
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Durchschnittliche Mitteleuropäer trinken zwei oder drei Tassen Kaffee am Tag, Nordeuropäer noch mehr. Kaum jemand denkt dabei an die Arbeit, die Armut und die Umweltzerstörung, die in dieser Alltagsdroge stecken. Kaffee war in Europa von Anfang an eine Kolonialware und ist es im Grund noch immer. Dieses Buch erklärt die verschiedenen Methoden, Kaffee anzubauen und aufzubereiten mit allen damit verbundenen Gefahren für die Umwelt. Es zeigt, wie die Produktion der Bohnen zum Klimawandel beigetragen hat und warum sie nun von ihm bedroht wird. Es erzählt die Geschichte der Ausbreitung des Kaffees von seinen Anfängen als wilder Waldkaffee in Äthiopien, seinem Weg über die arabische Welt nach Asien und übers Meer nach Lateinamerika, der heute bei weitem wichtigsten Anbauregion. Diese Geschichte war immer auch eine Geschichte des Kahlschlags von Regenwäldern, der Zwangsarbeit und der Sklaverei, des ungezügelten Kapitalismus und der Gewalt bis hin zum Völkermord. Auf vielen Plantagen gilt noch heute, was man in Lateinamerika sagt: Kaffee wird auf Armut angebaut. Das muss nicht so sein. Das Buch zeigt auch, dass es möglich ist, umwelt- und sozialverträglichen Kaffee zu produzieren. Der ist in aller Regel viel besser als die unter menschenverachtenden Bedingungen produzierte Massenware.

Toni Keppeler, geboren 1956, ist Journalist und Buchautor. Er schreibt seit vier Jahrzehnten über Lateinamerika und arbeitete lange als Korrespondent in El Salvador. Heute lebt er in Tübingen. Laura Nadolski, geboren 1997, ist Klima- und Umweltwissenschaftlerin und arbeitet bei großen journalistischen Projekten mit. Derzeit promoviert sie am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Cecibel Romero, geboren 1971, ist Journalistin und Kaffeesommelière. Sie hat zwölf Jahre lang auf einer kleinen Plantage umwelt- und sozialverträglichen Qualitätskaffee produziert. Sie lebt in San Salvador. Die drei arbeiten gemeinsam im Journalismusbüro Latinomedia in Tübingen und San Salvador für deutsch- und spanischsprachige Medien.

Einführung


Kaffee ist eine psychoaktive Droge. Das in seinen Bohnen enthaltene Koffein ist ein Alkaloid, so wie das Kokain im Kokablatt oder das Nikotin im Tabak. Es kann genauso süchtig machen. Regelmäßige Kaffeetrinker stehen ständig unter Drogen, denn Koffein wirkt länger, als man gemeinhin denkt. Seine Halbwertszeit liegt bei vier bis fünf, bei manchen Menschen sogar bei acht Stunden. Das bedeutet, dass von der Menge, die wir mit einem Kaffee am Abend zu uns genommen haben, mindestens die Hälfte um Mitternacht noch immer im Körper vorhanden ist und im Gehirn wirkt. Koffein muntert auf, macht wach und agil und verbessert die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit – die ideale Droge für eine moderne Industriegesellschaft. Das unterscheidet Koffein von den meisten anderen Drogen. Opium etwa entspannt und macht schläfrig, Mescalin – auch das ein Alkaloid – ist halluzinogen. Für rational durchorganisierte Leistungsgesellschaften taugen solche Drogen ganz und gar nicht. Kaffee aber hatte von Anfang an ein fast symbiotisches Verhältnis mit dem Kapitalismus.

Kaffee verbreitete sich zu der Zeit in Europa, zu der auch das elektrische Licht und die Fabrik erfunden wurden. Der Aufbau einer Fabrik samt ihren Maschinen war eine große Investition. Sollte sie möglichst schnell rentabel sein, musste möglichst lange darin gearbeitet werden. Künstliches Licht machte die Nachtschichten erst möglich. Kaffee verhinderte, dass die Arbeiter bei den meist monotonen Handgriffen, die sie zu verrichten hatten, einschliefen. Wie wichtig er für die Arbeit an diesen Orten war, zeigt der Vergleich mit der vor seiner Verbreitung üblichen Diät. Mittel- und Nordeuropäer deckten da ihren Flüssigkeitsbedarf am Morgen meist mit einer Biersuppe. Und weil das Wasser verschmutzt war und krank machte, tranken sie, wenn sie Durst hatten, lieber Bier oder je nach Region auch Wein. Nach heutigen Maßstäben waren die Menschen damals den ganzen Tag über angetrunken. Für Fabriken waren sie so nicht sehr funktional. Sie wurden