: Kerstin Ehmer
: »Diese Freiheit bedeutet mir alles« Das Leben der Kathleen Scott
: mareverlag
: 9783866488298
: 1
: CHF 13.90
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 384
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Alles, was Du willst, aber lass mich kommen, um Dich abzuholen«, schrieb Robert Falcon Scott 1907 an die Bildhauerin Kathleen Bruce, nur einen Tag nachdem er ihr bei einer Londoner Teegesellschaft begegnete und ihrem unkonventionellen Freigeist erlag. Als Waise und jüngstes von elf Kindern in der Obhut eines Onkels groß geworden, hatte Kathleen früh gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen. Kaum erwachsen, ging sie trotz kärglicher Mittel zum Kunststudium nach Paris, pflegte Freundschaften zu Auguste Rodin, Isadora Duncan und George Bernard Shaw, diente als freiwillige Helferin im Mazedonienkrieg und schlief auf Reisen in Männerkleidern getarnt unter freiem Himmel. Sie wurde als Scotts Ehefrau zu seiner engsten Vertrauten und Triebfeder seiner Südpolexpedition - und führte auch als seine Witwe ein Leben so voll von unbändiger Entdeckerlust, großen Namen, künstlerischen und nicht zuletzt politischen Ambitionen, dass es für zwei gereicht hätte.

Kerstin Ehmer, geboren in Hamm (Westf.), studierte Theater- und Filmwissenschaften, Amerikanistik und Philosophie an der FU Berlin und machte eine Ausbildung zur Fotografin am Lette-Verein. In den Neunzigerjahren arbeitete sie als Reportagejournalistin und Lifestylefotografin, 2001 eröffnete sie gemeinsam mit ihrem Mann die Berliner Victoria Bar, in die sie einmal jährlich Künstlerinnen einlädt, die Bar für einen Monat zu gestalten. 2013 erschien ihr Sachbuch »Die Schule der Trunkenheit«, 2017 »Der weiße Affe«, Auftakt ihrer erfolgreichen Krimireihe um Kommissar Spiro im Berlin der Goldenen Zwanziger.

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Ein Requiem


1913

Die Trauerfeier fällt ausgerechnet auf einen Valentinstag. Mehr als 10 000 Menschen säumen am 14. Februar 1913 den Trauerzug durch die Straßen der City of London. Sein Ziel: St. Paul’s Cathedral. Kein Platz auf den Bänken ist frei geblieben. Das öffentliche Interesse ist so groß, dass den Angehörigen und Freunden der Toten spezielle Tickets ausgehändigt werden, um ihnen einen Platz zu garantieren. Etliche Minister sind da. Sogar König George V., ansonsten nur auf Beerdigungen von Mitgliedern der königlichen Familie anwesend, zeigt sich im vollen Ornat eines Navy-Admirals. Sie alle sind gekommen, um Robert Falcon Scott und den unglücklichen Mitgliedern seiner Mannschaft die letzte Ehre zu erweisen.

Zwar erreichten sie ihr Ziel, den Südpol, aber als sie dort anlangten, wehten am südlichsten Punkt der Erde bereits die Flaggen der norwegischen Expedition unter Roald Amundsen. Scott und seine Männer hatten das Rennen verloren. Und keiner von ihnen würde nach Hause zurückkehren. Sie starben im Frühjahr 1912 nur noch 250 Kilometer vom rettenden Lager entfernt, einer durch Erschöpfung, die anderen vier in einem Orkan, den niemand hätte vorhersehen können. Sie erfroren durch einen plötzlichen Temperatursturz, der in diesem Ausmaß weder vor noch Jahrzehnte nach ihrer Expediti