GEISTERFÜLLT
Zum Beginn des jüdischen Pfingstfestes waren alle, die zu Jesus gehörten,
wieder beieinander. Plötzlich kam vom Himmel her ein Brausen wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich versammelt
hatten. Zugleich sahen sie etwas wie züngelndes Feuer, das sich auf jedem
Einzelnen von ihnen niederließ. So wurden sie alle mit dem Heiligen Geist
erfüllt und fingen an, in fremden Sprachen zu reden, jeder so, wie der Geist es ihm eingab.
Apostelgeschichte 2,1-4
Wow, was für ein Spektakel. Hast du dir das schon einmal praktisch vorgestellt? Seit Jesus von ihnen gegangen war, saßen seine elf verbliebenen Jünger und seine anderen Nachfolgerinnen und Nachfolger täglich gemeinsam im oberen Stockwerk eines ihrer Häuser. Sie waren verängstigt. Jesus hatte ihnen den Auftrag gegeben, in Jerusalem zu bleiben und abzuwarten. Er war ihnen nach seiner Auferstehung immer wieder begegnet, hatte sie vieles gelehrt und von dem erzählt, was auf sie zukommen würde. Doch nun war er verschwunden, in den Himmel aufgefahren.
Auf was genau warteten sie eigentlich? Vermutlich wussten sie das selbst nicht. Sie sinnierten über die Worte von Jesus. Einmal ergriff Petrus das Wort und erinnerte sich daran, dass sie einen Nachfolger für Judas wählen sollten. Das machten sie auch, aber wozu? Wie würde es weitergehen?
Beten, diskutieren, warten. Klingt spannend? Ganz sicher nicht.
Plötzlich alles anders
Unter normalen Umständen hätte es diese Versammlungen nicht lange gegeben. Die Unterschiede zwischen den Personen waren einfach zu groß: Fischer, Handwerker, ehemalige Terroristen, ein paar ledige Frauen und Prostituierte. Dazu noch ein paar Frauen wohlhabender Männer, die das ganze Unternehmen Jesus mitfinanziert hatten. Die meisten von ihnen waren vor dieser Berufung einfache Durchschnittsmenschen gewesen: nur halb gebildet, halb kriminell, halb anerkannt … unvollständige Charaktere. Doch dann kam Jesus. Was sie gemeinsam hatten, war sein Ruf: »Komm, folge mir nach!« – diesen Moment der Berufung, diese Aufforderung, ihm nachzufolgen und sich selbst davon zu überzeugen, wer er war.
Sie waren diesem Ruf gefolgt. Sie hatten mit eigenen Augen gesehen, was für ungewöhnliche Dinge rund um Jesus geschehen waren.
Megaspektakuläre Wunder wechselten sich mit intensivsten Lagerfeuermomenten ab. In der Masse erlebten sie, dass die Grenzen der Naturgesetze und ihrer Vorstellungskraft gesprengt wurden. In den persönlichen Momenten erfuhren sie ihren Rabbi als einen fürsorglichen Hirten, der sich um sie kümmerte. Ihm war keine Frage zu viel. Er war um keine Antwort verlegen. Die drei Jahre mit ihm waren ein Auf und Ab der Gefühle. Sie vergingen wie in einem Blockbuster. Ich vermute, dass Menschen, die Jesus nachfolgten, manchmal selbst nicht so richtig wussten, ob das alles noch die Realität oder nur ein langer, intensiver Traum war.
Dieses unwirkliche Lebensgefühl kommt mir bekannt vor. Am 16. 03. 2020 beschloss das Land Baden-Württemberg aufgrund der ansteigenden Inzidenzzahlen einen landesweiten Lockdown mit weitreichenden Einschränkungen in das Gesellschaftsleben, der ab dem nächsten Tag gelten sollte (in Deutschland allgemein trat der Lockdown am 22. 03. 2020 in Kraft). Drei Monate davor hatte kaum jemand gewusst, was eine Inzidenz ist, und nun sollten wir uns aufgrund dieser Zah