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Pupolis Boot
Mithilfe der Permakultur gestalten wir unsere menschlichen Unternehmungen als Ökosysteme – inspiriert von der Beobachtung der Natur und der Art und Weise, wie indigene Völker die Erde bewohnen.
Die merkantilen Industriegesellschaften verfügen über eine Instrumentalität, über materielle Reserven, eine physische Gesundheit, eine soziale Organisation und über ein wissenschaftliches und technisches Know-how, was, zusammengenommen, ihnen erlaubt, die Welt zu beherrschen. Wo aber wohnt das Glück eines jeden Tages?
Ihr Bewusstsein vom Schicksal? Ihre Gemeinschaft mit den Toten? Nirgendwo. Vergeblich sucht ihre Seele eine Zuflucht.
JEAN ZIEGLER11
Jede Zivilisation ist eine Allianz mit dem Universum. Das Universum ist niemals ein unveränderliches und vorgegebenes Ganzes; es ist das, was der Mensch durch dieses Bündnis aus ihm macht.
ROBERT JAULIN12
Antecume Pata ist ein kleines Dorf der ethnischen Gruppe der Wayana und liegt auf einer Insel im Litany-Fluss, der die Grenze zwischen Französisch-Guayana und Suriname bildet. Der Fluss ist an dieser Stelle breit und wird von Stromschnellen durchzogen. Die tosenden Fluten stürzen schäumend über schwarze Felsen. An den Ufern erstreckt sich der Amazonas-Regenwald soweit das Auge reicht. Die einzige existierende Lichtung wurde von den amerikanischen Ureinwohner*innen für den Bau ihrer Hütten freigemacht.
Antecume Pata ist ein Ort, der in meinem Leben eine große Bedeutung hat. Ich bin viele Male dorthin zurückgekehrt und habe die Kinder der Indigenen dort bis ins Erwachsenenalter aufwachsen sehen. Mit jeder Reise wuchs die Freundschaft mit den Wayana, Leuten, die für mich auf den ersten Blick schüchtern und zurückhaltend wirkten, aber so liebenswert und humorvoll sind, wenn es einem gelingt, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Affenbruder
Pupoli war einer meiner Gefährten. Sein Vater Yoïwet und ich standen uns sehr nahe – Yoïwet hatte mir sogar einen Spitznamen gegeben, den er auch auf sich selbst anwandte. Wir nannten uns gegenseitigyepe baboune („Affenbruder“!). Der Austausch von Spitznamen ist für die Wayana ein wichtiges Zeichen der Freundschaft – zehn Jahre lang war ich mehrmals in den tiefsten Urwald Französisch-Guayanas gereist, bis eine solche Verbundenheit entstehen konnte.
Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich an ein scheinbar unspektakuläres Abenteuer, das mich geprägt hat. Pupoli, der damals noch ein zarter Junge von etwa zehn Jahren war, hatte mich zu einem Angelausflug in seinem Kanu eingeladen. Wir waren losgegangen, beide mit demKalimbe bekleidet, einem einfachen Streifen aus leuchtend rotem Stoff, der zwischen den Beinen durchgezogen wurde. Pupolis Boot war aus einem einzigen Stück Baumstamm geschnitzt, ungefähr so groß wie ein Spielzeug, sehr instabil, und der Rumpf lag dicht über dem Wasser. Ich hatte das Gefühl, dass ich nur meinen Ellenbogen ein wenig ausfahren müsste, um es zum Kentern zu bringen. Pupoli fühlte sich glücklicherweise sicherer als ich und spielte energisch mit dem Paddel, sein kleiner Bogen war am Boden des Kanus, ebenso seine Angel und ein paar Würmer als Köder.
Die jungen Wayana erleben die freieste Kindheit, die man sich vorstellen kann. Sie lernen mit Werkzeugen, die denen der erwachsenen Indigenen in jeder Hinsicht gleichen, außer dass sie auf ihre Größe zugeschnitten sind. Ihre Geschicklichkeit in der Natur ist verblüffend.
Wir fuhren den Litany-Fluss hinauf und durchquerten den Amazonas-Regenwald, der wie ein prächtiger Garten Eden aussah. Wir näherten uns einem beeindruckenden Wasserfall, der über die gesamte Breite des Flusses verlief. Trotz der starken Strömung bewegte sich der Junge ohne erkennbare Anstrengung flussaufwärts. Ich fragte mich, wie weit uns der tollkühne Pupoli wohl bringen würde. Der Junge hielt nur wenige Meter vor dem Wasserfall an. Dort legte er sein Paddel auf den Boden des Kanus, wickelte seine Angel aus und begann zu fischen. Das alles sah so einfach aus – wie ein Kinderspiel! Aber durch welches Wunder hatte sich der kleine Wayana mühelos über den mächtigen Strom hinwegsetzen können?
Ich beobachtete fasziniert. Pupoli war einfach den Fluss hinaufgefahren, hielt sein Kanu in der von den Stromschnellen erzeugten Gegenströmung und glitt geschickt von einem Felsen zum anderen. Das fragile Boot drehte sich nun an einer Stelle, an der das Wasser Strudel bildete, genau an der vielleicht einzigen Stelle im gesamten Fluss, an der sich ein