Was du wissen solltest, bevor du dieses Buch liest
Wer mich nicht duzt, fliegt raus.
Daniel, Gründer eines sehr erfolgreichen Start-Ups
Du hast Fachwissen und bist ein verträglicher Mensch. Du meinst es gut mit anderen Menschen. Du bist bereit dazuzulernen und dich weiterzuentwickeln. Du bist leistungsfähig und hast Freude daran, dich zu engagieren – zumindest solange die Work-Life-Balance stimmt. Das sind gute Voraussetzungen, um beruflich voranzukommen, sollte man meinen. Doch etwas Entscheidendes fehlt noch. Eine Fähigkeit, über die in der Ausbildung und in Führungskräfteseminaren selten ein Wort verloren wird. Und wenn doch, dann kein gutes. Denn diese Fähigkeit gilt als etwas anrüchig und scheint nicht so recht in unsere vernetzte, durchdigitalisierte Arbeitswelt zu passen.
Die Rede ist von Machtspielen. Es geht um die Fähigkeit, sie zu durchschauen, mitzuspielen oder dagegenzuhalten und auch sie selbst zu initiieren. Denn Machtspiele sind unverzichtbar. Es handelt sich um unscheinbare, aber wirksame Methoden, sich Einfluss zu verschaffen – mehr oder weniger verdeckt und durchaus auch im Gegenstrom zur offiziellen Hierarchie, so flach sie auch immer sein mag. Mitarbeitende lenken behutsam ihre Vorgesetzten. Die Assistentin hat mitunter mehr zu melden als das Spitzenpersonal, das ganz damit beschäftigt ist, sich abzuschotten, als starke Anführer zu inszenieren und keine Fehler zu machen.
Aber auch Führungskräfte nutzen gerne diese Techniken und Taktiken: Sie beschwören Gemeinsamkeiten, um eigene Interessen durchzusetzen. Sie lassen Konkurrenten ins Leere laufen, stellen sich unwissend, um nicht handeln zu müssen, und sie sorgen dafür, dass Erfolge ihnen zugeschrieben werden, während Fehler und Niederlagen an anderen hängenbleiben.
Vor mehr als 17 Jahren ist mein Buch »Machtspiele« zum ersten Mal erschienen – damals noch mit dem etwas unglücklichen Untertitel »Die Kunst, sich durchzusetzen«. In dem Buch ging es um die Vielfalt der alltäglichen Machtspiele, denen wir ausgesetzt sind oder die wir selbst betreiben. Ob im Beruf, in der Partnerschaft, unter Freunden, in der Kindererziehung, ja, sogar im Straßenverkehr, wo es doch eine Straßenverkehrsordnung gibt, die dafür sorgen soll, dass wir alle unbeschadet an unser Ziel gelangen. Wenn wir uns nur konsequent an die Regeln halten würden. Aber das macht kaum jemand. Und wenn niemand zu Schaden kommt, verschafft uns das sogar noch ein Hochgefühl. »Cheater’s High« nennen das die Psychologen. Die Hochstimmung des Tricksers. Solche kleinen Freuden werden uns auch in diesem Buch wieder begegnen.
Sein Vorgänger »Machtspiele« hat damals großen Anklang gefunden, kletterte auf der Bestsellerliste der Financial Times Deutschland in die Top Ten und ist im Laufe der Jahre noch zweimal überarbeitet, erweitert und aktualisiert worden. Zuletzt hat er endlich den ursprünglich vorgesehenen Untertitel bekommen: »Wie wir unseren Willen durchsetzen«. Denn genau darum ging es in dem Buch: Um die mitunter etwas verschlungenen Wege, wie Menschen das erreichen, was siewollen (und allzu selten offen äußern können).
Wie wir unseren Willen durchsetzen
Das ist auch das Thema des vorliegenden Buchs. Allerdings haben sich die Zeiten geändert. Die vertrauten, traditionellen Machtspiele funktionieren in unserer vernetzten, digitalisierten und hochflexiblen Arbeitswelt nicht mehr so recht. Mit Dominanzgehabe und Machtdemonstration alter Schule disqualifizieren sich Führungskräfte vielerorts für ihre Aufgaben. Ja, sie machen sich lächerlich. In vielen Unternehmen und Organisationen soll »partnerschaftlich« geführt werden. Auf Augenhöhe, wertschätzend und mit Respekt. Neuere Ansätze verpflichten Führungskräfte dazu, Macht abzugeben, an ihre Mitarbeiter weiterzureichen, sie zu »empowern« und zu unterstützen.
Und doch können Führungskräfte auch in diesen Zeiten nicht auf Macht verzichten. Nach wie vor brauchen sie Macht, reale Macht, um wirksam zu sein. Machtlose Führungskräfte sind heute so wenig gefragt wie in den Zeiten starrer Hierarchien. Sie sind eine Fehlbesetzung. Zugleich stellt sich auch für die Mitarbeitenden die Frage, wie sie unter den geänderten Vorzeichen ihre Interessen wahren kön