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SANDER
Normalerweise hatte es etwas Befreiendes, nach Hause zu kommen und meine Lunge mit der frischen Fjordbrise zu füllen. Als würde mich der leicht salzige Geschmack erden, als würde mein Herz dabei Ruhe finden. Allerdings fühlte es sich heute so an, als wäre die Luft mit Säure zersetzt worden. Jeder Atemzug brannte wie Feuer, drückte auf mein Zwerchfell, brandete rumorend in meinem Magen. Jeder einzelne Schritt vor dem Flughafengelände schmerzte wie nach einer anstrengenden Beineinheit im Fitnessstudio. Oder als wäre ich anstelle meiner üblichen zehn Kilometer plötzlich zwanzig gelaufen. Oder als hätte ich mein Schwimmtraining überzogen.
Für Juli war es angenehm warm in Oslo, andererseits wurde es meistens nicht wirklich heiß, ganz anders als an meiner letzten Station in München, wo ich einen Teil meines Masters gemacht und meine Schuld bei Henning, einem meiner engsten Freunde in Deutschland, beglichen hatte. Allein der Gedanke an ihn und den Grund, weshalb ich in meine Heimatstadt zurückgekehrt war, trieb meinen Pulsschlag in die Höhe.
Suchend blickte ich mich um, schielte auf meine silberne Armbanduhr, die schwer an meinem Handgelenk hing und mich daran erinnerte, was auf mich zukommen würde. Abgesehen von diesem Erbstück, das mein Großvater mir zu meinem achtzehnten Geburtstag vermacht hatte, trug ich so gut wie keine Statussymbole. Die Uhr war schlicht, nur ein Kenner würde sie als Breitling einordnen.
Mein Handy klingelte. Stirnrunzelnd registrierte ich den Namen meines besten Freundes Mar.
»Du rufst doch nur an, wenn du etwas willst«, begrüßte ich ihn und die fehlende Leichtigkeit kehrte in meine Brust zurück, sobald ich seine gebrummte Antwort vernahm.
»Woher weißt du, dass ich etwas will?«, fragte er schroff.
»Weil du viel zu faul zum Telefonieren bist. Also, mein Prinz, womit kann ich Euch heute dienen?«
»Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass du das unterlässt?«
Ich verkniff mir das Lächeln, das sich auf meine Lippen stehlen wollte. »Euer Vokabular ist wie immer sehr gewählt, Durchlaucht. Versucht es doch mit einer entsprechenden Unterlassungsklage, Hochwohlgeboren, vielleicht habt Ihr damit mehr Glück.«
»Ach, fick dich, Sander.«
Das Lachen platzte förmlich aus mir heraus und meine Schultern bebten. Es tat so verdammt gut, für einen Moment all die Sorgen zu vergessen und einfach ich selbst sein zu können.
»Wenn ich dazu in der Lage wäre«, kam ich lapidar auf seine Antwort zurück, »müsste ich mir nicht immer jemanden dafür suchen.« Ich erntete eine geknurrte Erwiderung, für die meine Schwester vermutlich bis unter die Haarwurzeln errötet wäre. »Solange deine Armee aus Anwälten nicht unsere Armee aus Anwälten behelligt, wirst du wohl oder übel damit leben müssen, dass ich dir auf die Eier gehe. Und das ziemlich oft. Genau genommen immer dann, wenn du am wenigsten damit rechnest.«
»Kein Staatsfonds der Welt kann mit deinen Ressourcen mithalten, und das weißt du sehr genau«, erwiderte Mar, aber endlich hörte ich, wie die Anspannung aus seiner Stimme wich.
Mar – besser bekannt als Marius Olav, Kronprinz von Norwegen – bewegte sich durchs Leben, als würde eine riesige Gewitterwolke wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf schweben. Vielleicht hatten wir uns deswegen schon nach einer Woche in unserer stinklangweiligen und hyperkonservativen christlichen Schule in Oslo angefreundet. Sechs Jahre alt,Barneskole. Zwei aufgebürdete Schicksale, zwei Nachnamen, die Fluch und gleichzeitig Segen bedeuteten.
»Also, was kann ich für dich tun?«, wollte ich wissen und verlagerte mein Gewicht, während ich mich weiter nach einem vertrauten Gesicht umsah, da ich nicht sicher war, wer mich abholen würde.
»Nichts, ich wollte nur fragen, wie das Gespräch lief.«
Geistesabwesend rieb ich mir mit der Fingerspitze über das unrasierte Kinn, beobachtete, wie eine ältere Dame mit Kopftuch vergeblich um ein Taxi kämpfte und sich gleichzeitig mit ihren zwei monströsen Koffern abmühte. Kein Taxifahrer stieg aus, um ihr zu helfen.
Ich seufzte. »Das Gespräch hat noch nicht stattgefunden.«
»Ich dachte, du bist seit gestern wieder da?«
»Nein. Bin gerade erst gelandet.« Ich konnte den resignierten Tonfall nicht verhindern.
»Oh, Mist.« Mar atmete scharf aus, als würde er die Last spüren, die auf meinen Schultern ruhte. »Dann sag mir Bescheid, wenn du es hinter dich gebracht hast, falls du im Anschluss überhaupt noch lebst.«
»D