: Christine Koschmieder
: Schambereich Über Sex sprechen
: Kanon Verlag
: 9783985680979
: 1
: CHF 15.20
:
: Gesellschaft
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Exkursion ins Sumpfgebiet unserer SeeleNach dem Erfolg von »Dry« schreibt Christine Koschmieder über Sex und Intimität. Persönlich, mutig und lustig erkundet sie die Körpererfahrungen, die sie und andere Frauen im Lauf ihres Lebens gemacht haben.Gerade hat sie die Suchtklinik verlassen, da steht Christine Koschmieder vor einer neuen Herausforderung: Bisher hatte sie Sex meistens mit Hilfe von Alkohol. Aber wie lassen sich Intimität, Liebe und Sex ohne Betäubung erfahren? Und woher kommt ihre Angst vor Nähe eigentlich? Aus ihrer Biografie, aus unserer Kultur, oder ist sie einfach da? Mit 50 Jahren begibt sich Christine Koschmieder auf eine Exkursion ins »Sumpfgebiet unserer Seele«. Sie besucht Freundinnen, Ex-Lover und eine Sexualtherapeutin. Sie befragt sich und andere nach Nacktheit und Erregung, Grenzsetzung, Pornographie, OnlyFans und Selbstermächtigung. Sie folgt den Spuren, die ihre Beziehungen hinterlassen haben. Am Ende weiß ihr Kopf fast alles, aber ihr Körper noch nicht. Und dann fängt das eigentliche Abenteuer der Intimität an.»Ich hatte Sex, und ich habe drei Geburten und zwei Abtreibungen hinter mir. Ich kenne also meinen Körper. Was ich allerdings bis heute nicht gut kann: körperliche Nähe herzustellen und eine Sprache dafür zu finden. Das will ich jetzt ändern.«»Christine Koschmieder sucht nach einer Sprache für Sex, und dabei stellt sich heraus, dass es eigentlich um eine Sprache für (fast) alles geht, was wichtig ist. Eine mutige Memoir über das Verhältnis zum eigenen Körper, über die Angst vor Intimität, über Selbstbestimmtheit in Zeiten von OnlyFans und nicht zuletzt über die Frage, was Lust mit Vertrauen zu tun hat.«»Man verlässt dieses Buch verändert, mit einem tieferen Blick auf sich selbst und zärtlicher gegenüber anderen.« Teresa Bücker

Christine Koschmieder, wurde 1972 in Heidelberg geboren und lebt in Aken/Elbe. Sie arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Literaturagentin. Im Kanon Verlag erschienen 2022 ihr Roman »Dry« und zuletzt »Schambereich. Über Sex sprechen«. Christine Koschmieder wurde mit einem Auszug aus »Frühjahrskollektion« zum Bachmann-Preis 2024 eingeladen.

HOW I GOT HERE


“How had I wound up naked, and roasted like a half-done chicken, in a seedy dump in Paris? And where the hell was I going next?”

Erica Jong, Fear of Flying

1973. Elisabeth und Wolfram finden Blau schöner als Rosa. Also werde ich im blauen Strampler durchs Dorf gefahren. Wer sich über den Kinderwagen beugt, dem entfährt, »ä Buu, wie schee«, ein Junge, wie schön. Nein, ein Mädchen, stellt meine Mutter klar. »Aa net schlimm.«

Als ich neun oder zehn bin, höre ich zum ersten Mal den Vergleich von Brüsten mit einem Bügelbrett. Er kommt von meiner Mutter, und es sind ihre eigenen Brüste, über die sie spricht, und offensichtlich ist das nichts, was man sein will: Flach wie’n Bügelbrett. Die anderen zweidimensionalen Brüste, die ich sehe, sind auf der Titelseite einer Illustrierten. Genauer gesagt: Brüste, die ichnicht sehe. Weil meine Großmutter sie mit Leukoplaststreifen abgeklebt hat. Brüste, wenn sie flach oder abgebildet sind, sind nicht erstrebenswert.

Als ich II oder 12 bin, will ein Mädchen in derBravo von Dr. Sommer wissen, ob sie sich Sorgen machen muss, zu eitel zu sein, weil sie jedes Schaufenster, an dem sie vorbeikommt, als Spiegel benutzt. Ich weiß nicht mehr, was Dr. Sommer antwortet, aber bis zu diesem Moment wäre ich nie auf die Idee gekommen, mein Aussehen in einer Schaufensterscheibe zu überprüfen. Ab diesem Moment schon.

Als ich 12 oder 13 bin, lese ich in derBravo zum ersten Mal über Selbstbefriedigung. Und von Gegenständen, die Mädchen sich dazu einführen: Kerzen, Gurken, Möhren. Bis dahin wäre ich nie auf die Idee gekommen, mir eine Kerze oder Gurke einzuführen. Ich finde den Duschbrausekopf aber auch danach viel besser geeignet. Oder wenn wir Heiraten spielen, uns nackt aufeinanderlegen und so lange aneinander reiben, bis wir zum Orgasmus kommen, von dem wir nicht wissen, dass er so heißt, und den wir voreinander zu verbergen versuchen, warum auch immer, Selbstbefriedigung hat uns niemand verboten. In mein Fünfjahrestagebuch im Postkartenformat, das nur fünf Zeilen für jeden Tag vorsieht (weswegen ich lange Worte abkürze), findet sich ab dem Jahr 1983 mehrmals wöchentlich der Eintrag »abends selbst befr.«.

Mit 15 renne ich mit einer Flasche Erdbeersekt in der Hand durch die Gänge und rufe, »Die machen sich ihr Leben kaputt.« Wir sind auf Klassenfahrt, unddie, das sind die anderen Mädchen aus meiner Klasse, und ihr Leben machen sie sich meiner Ansicht nach kaputt, weil sie nichts dabei finden, sich mit den Jungs zum Knutschen und Fummeln zu verabreden, obwohl sie gar nicht ineinander verknallt sind. Körperlichkeit und Sex ohne Liebe, das geht gar nicht. Glaube ich da noch.

Mit 17 liege ich mit aufgeknöpftem Kleid und ohne Unterhose nachts am Strand von Monterosso. Ich erinnere mich an die Kieselsteinchen, die sich mir in den Rücken drücken, und frage mich, ob der Junge, mit dem ich den ersten Gesc