: Elisabeth Swoboda
: Zwei kleine Freundinnen Sophienlust 408 - Familienroman
: Blattwerk Handel GmbH
: 9783987579417
: Sophienlust
: 1
: CHF 3.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »So viele schöne Blumen«, bemerkte Agnes Hubmann voll Bewunderung. »Die sind am schönsten.« Sie deutete auf ein Rundbeet mit voll erblühten Narzissen, die in der warmen Frühlingssonne leuchteten. »Mir gefallen die rosa Tulpen am besten«, piepste Heidi Holsten. »Gestern hab ich einen großen Strauß davon gepflückt. Schwester Regine hat ihn in eine Vase getan, die sie dann auf den großen Tisch in der Halle gestellt hat.« »Darf ich auch welche von den Blumen pflücken?«, fragte Agnes. Mit ihren fünf Jahren war sie ungefähr im gleichen Alter wie Heidi, aber im Gegensatz zu dem kleinen blonden Mädchen aus Sophienlust, das vor Gesundheit nur so strotzte, wirkte Agnes schmal und blass. Daran vermochten auch die dichten, leicht gelockten hellbraunen Haare und die dunklen Augen nichts zu ändern. »Nein, du darfst bei uns keine Blumen pflücken«, rief ein etwa siebenjähriger Junge unfreundlich aus, bevor Heidi noch eine Antwort geben konnte. »Du gehörst nicht zu uns, du bist bloß zu Besuch da.« »Sei nicht so neidisch«, wies Henrik von Schoenecker den Jungen zurecht. »Bevor Agnes nach Hause fährt, bekommt sie einen Strauß Märzbecher von uns. Ich werde die Blumen selber abschneiden.« »Das darfst du nicht«

»So viele schöne Blumen«, bemerkte Agnes Hubmann voll Bewunderung. »Die sind am schönsten.« Sie deutete auf ein Rundbeet mit voll erblühten Narzissen, die in der warmen Frühlingssonne leuchteten.

»Mir gefallen die rosa Tulpen am besten«, piepste Heidi Holsten. »Gestern hab ich einen großen Strauß davon gepflückt. Schwester Regine hat ihn in eine Vase getan, die sie dann auf den großen Tisch in der Halle gestellt hat.«

»Darf ich auch welche von den Blumen pflücken?«, fragte Agnes.

Mit ihren fünf Jahren war sie ungefähr im gleichen Alter wie Heidi, aber im Gegensatz zu dem kleinen blonden Mädchen aus Sophienlust, das vor Gesundheit nur so strotzte, wirkte Agnes schmal und blass. Daran vermochten auch die dichten, leicht gelockten hellbraunen Haare und die dunklen Augen nichts zu ändern.

»Nein, du darfst bei uns keine Blumen pflücken«, rief ein etwa siebenjähriger Junge unfreundlich aus, bevor Heidi noch eine Antwort geben konnte. »Du gehörst nicht zu uns, du bist bloß zu Besuch da.«

»Sei nicht so neidisch«, wies Henrik von Schoenecker den Jungen zurecht. »Bevor Agnes nach Hause fährt, bekommt sie einen Strauß Märzbecher von uns. Ich werde die Blumen selber abschneiden.«

»Das darfst du nicht«, behauptete der Zurechtgewiesene. »Die Blumen gehören nicht dir. Du bist ein Angeber. Immer spielst du dich auf und tust so, als ob du der Anführer wärst.«

Henrik hätte Lust gehabt, den anderen Jungen ordentlich zu schütteln. Stattdessen fuhr er sich mit der Hand über seinen wirren braunen Haarschopf, während seine grauen Augen Funken sprühten.

»Schau nur wütend drein«, spottete Henriks Widersacher. »Mir machst du damit keine Angst. Du bist auch bloß ein kleiner Junge und nichts Besseres als – als wir anderen.« Der Sprecher lebte erst seit wenigen Tagen in dem Kinderheim und litt unter Anpassungsschwierigkeiten. Denise von Schoenecker hatte den übrigen Kindern aufgetragen, Rücksicht auf den Neuling zu nehmen und jeglichem Streit auszuweichen. Henrik hielt sich an diese Anordnung seiner Mutter, obwohl es ihm schwerfiel. Wortlos kehrte er dem Jüngeren den Rücken zu.

Heidi hingegen brachte es nicht über sich, dem Neuling diese Frechheit durchgehen zu lassen. In ihren Augen war Henrik so etwas wie ein Held. Wenn er sich nicht selbst verteidigte, musste eben sie einspringen. »Du bist auf dem Holzweg, du – du dummer, frecher – äh – Frechdachs«, schimpfte sie. »Henrik ist kein Angeber. Wenn er sagt, dass Agnes welche von den gelben Blumen haben kann, dann geht das in Ordnung.«

»Aber die Blumen gehören ihm nicht«, beharrte der Unbelehrbare.

»Hm, sie gehören Henrik nicht direkt«, räumte Heidi ein. »Trotzdem darf er welche abschneiden, wenn er Lust dazu hat, weil nämlich alles hier Nick gehört.«

Heidi, eine Vollwaise, lebte schon seit geraumer Zeit in Sophienlust. Deshalb wusste sie, so klein sie auch noch war, über die Besitzverhältnisse Bescheid. »Nick hat alles von seiner Urgroßmutter geerbt«, führte sie in einem belehrenden Tonfall aus.

»Nick hat einen langen Namen. Er heißt Dominik von Wellentin-Schoenecker. Tante Isi ist seine Mutti und auch die Mutti von Henrik. Sie verwaltet Sophienlust, bis Nick volljährig ist …«

»Pah, das interessiert mich nicht, du kleine Wichtigtuerin«, fiel der Junge Heidi ins Wort, streckte ihr die Zunge raus und lief davon.

»Na warte, das erzähl ich Tante Isi«, rief Heidi ihm drohend nach.

»Nein, lass das lieber bleiben«, mischte sich ein dreizehnjähriges Mädchen ein, auf dessen Stupsnase lustige Sommersprossen prangten. Ihnen verdankte sie ihren Spitznamen »Pünktchen«. Mit ihrem eigentlichen Namen, nämlich Angelina Dommin, wurde sie nur selten gerufen. Ihrer Kameradschaftlichkeit wegen war Pünktchen unter den Kindern sehr beliebt. Die Kleineren billigten ihr sogar eine gewisse Autorität zu.

Heidi allerdings neigte im Augenblick nicht dazu. »Warum soll ich Tante Isi nichts erzählen?«, begehrte sie auf. »Zunge zeigen ist hässlich und ungezogen. So etwas tut man nicht.«<