1. KAPITEL
Die Honeymoon Suite im legendären Stanmore Hotel in Mayfair war zweifellos der schönste Raum, den Effie Price je zu Gesicht bekommen hatte. Und ganz sicher unerschwinglich teuer, wenn auch nicht ganz so kostspielig wie die Royal Suite, wo eine Übernachtung vermutlich fast so viel kostete, wie sie als Zimmermädchen im Jahr verdiente.
Sie blickte an ihrem tadellosen schwarzen Kleid mit der blitzsauberen weißen Schürze hinab. Höchste Zeit, sich an die Arbeit zu machen. Schließlich wurde sie nicht fürs Staunen bezahlt, sondern fürs Putzen.
Leichter gesagt als getan in dieser absolut überwältigenden Umgebung. Das ganz in Creme gehaltene Wohnzimmer der Suite war groß genug, um als Landeplatz für einen kleinen Jet zu dienen. Die Kronleuchter funkelten, das Holz der handgefertigten Möbel schimmerte sanft. Darüber hinaus war die Suite mit allem ausgestattet, was die moderne Technik hergab. Alles ließ sich per Knopfdruck oder Sprachbefehl steuern. Rechtfertigte das den horrenden Preis?
Seufzend strich Effie über den marmornen Kaminsims. Eine rhetorische Frage. Abgesehen davon, dass sie nicht das nötige Kleingeld besaß, um sich hier einzumieten, hatte sie auch keinen Partner, mit dem sie hier ihre Flitterwochen verbringen könnte. Die niederschmetternde Wahrheit lautete, dass sie mit ihren zweiundzwanzig Jahren noch nie fest mit jemandem zusammen gewesen war.
„Hier steckst du. Ich habe dich schon überall gesucht“
Effie blickte über die Schulter zurück auf Janine und Emily, ihre beiden Freundinnen und Kolleginnen, die die Köpfe zur Tür hereinsteckten.
Janine hob die gebrauchten Handtücher vom Boden auf und warf sie in den Wäschewagen. „Schwupps! Wir können hier fertig machen.“
Effie schüttelte den Kopf. „Schon okay, ich bin fast durch.“
In Gedanken strich sie die To-do-Liste ab. Die flauschige Decke aus Entendaunen auf dem großen Himmelbett im Schlafzimmer war akkurat gefaltet, das Holz poliert, die Minibar aufgestockt. Im Badezimmer hatte sie alles sorgfältig geputzt und die Toilettenartikel aufgefüllt, frische Handtücher und Bademäntel hingehängt, die Spiegel poliert …
„Ich muss nur noch staubsaugen.“
„Das kann ich doch tun.“ Emily schnappte sich den Staubsauger. „Komm schon, Effie. Wir kriegen das schon hin. Du musst los. Heute ist der große Tag.“
Ihr wurde plötzlich ganz flau im Magen.Der große Tag.
Das klang wie aus einem Kitschroman. Nur dass es keine Fiktion war, sondern tatsächlich passierte. In einer Stunde, um genau zu sein.
Ihr Herz klopfte wild, halb vor Panik, halb aus Vorfreude. Schon als kleines Mädchen hatte sie davon geträumt, sich später einmal als Parfümeurin selbstständig zu machen. Ihre Mutter Sam hatte zu Hause ein Kosmetikstudio betrieben, und Effie hatte ihre Kundinnen kommen und völlig verändert gehen gesehen. Es war reine Magie gewesen.
Genauso magisch fand sie es, einen Duft zu kreieren, zu erleben, wie dieser die Persönlichkeit seiner Trägerin betonte. Parfüm besaß die Macht, die Stimmung zu verändern, sorgte dafür, dass man sich glücklich, sexy oder stark fühlte.
Doch sie wollte nicht nur das Leben von irgendwelchen fremden Leuten beeinflussen. Sie wollte, dass ihre Mutter sich nicht ständig um Geld sorgen musste.
Und heute würde sie endlich den ersten Schritt in diese Richtung unternehmen.
Ihre Haut prickelte vor Aufregung. Sie konnte es immer noch nicht wirklich glauben, doch wenn der Termin so verlief