von Alfred Bekker
Anno 1699
Die Segel der PRINCESS MARY hingen schlaff in den Masten. Das Schiff dümpelte in einer fast spiegelglatten See dahin.
Es war warm.
Unerträglich warm.
Jane wedelte sich mit einem Fächer etwas Luft zu. Sie hatte sich so vieler Kleidungsstücke entledigt, dass ihr Auftreten gerade noch schicklich war. Trotzdem klebte das Kleid an ihrem Körper. So sehr sie sie sich auch bemühte, ihre Frisur konnte unter diesen Umständen einfach nicht so sitzen, wie sie sollte. Jane hatte gedacht, ihren 23. Geburtstag bereits bei ihrem Vater in Port Royal auf Jamaika verbringen zu können. Sir James Bradford war dort seit einem halben Jahr Gouverneur und führte das Regiment in dieser wichtigsten britischen Karibik-Besitzung. Nun, ein halbes Jahr später, wollte er seine Tochter nachholen. Janes Mutter war bereits vor Jahren an der Schwindsucht gestorben und Jane war zumeist von Gouvernanten und Privatlehrern erzogen worden, während ihr Vater Karriere im Dienst seiner Majestät gemacht hatte.
Wochenlang war die PRINCES MARY über den Atlantik unterwegs gewesen.
Und jetzt, da man das nahe Land beinahe riechen konnte und die Vögel manchmal bis zum Schiff heran flogen, geriet der Dreimastsegler plötzlich in diese Flaute.
So kurz vor dem Ziel!, dachte Jane. Aber auch das musste man hinnehmen.
Sie hatte die Seekrankheit überstanden und sich an den hohen Wellengang gewöhnt und sie würde es auch schaffen, die Flaute zu überstehen, ohne dabei den Verstand zu verlieren. Die enorme Hitze und der Gedanke daran, dass das ohnehin fast ungenießbare Wasser vom Captain rationiert worden war, machten die Lage fast unerträglich.
Unter den Seeleuten an Bord der PRINCESS MARY hatte sich schon seit Tagen eine bedrückende Form der Lethargie breit gemacht.
Die meisten dämmerten am Tag mehr oder weniger vor sich hin. Es gab kaum etwas zu tun, solange kein Wind blies. Und gleichzeitig war allen an Bord bewusst, dass das Land in unmittelbarer Nähe auf sie wartete. Nur hin und wieder entlud sich diese explosive Stimmung in einem plötzlichen Ausbruch von Streitigkeiten.
Captain Rutherford bemerkte Jane jetzt.
Er stand ebenfalls an der Reling und blickte nachdenklich in der ferne, der untergehenden Sonne entgegen.
Auch bei der größten Hitze war Rutherford korrekt gekleidet und öffnete nichteinmal die Knöpfe seines Hemdes geschweige denn, dass er etwa seinen Dreispitz oder den Degen an seiner Seite auch nur einen Moment abgelegt hätte.
Er war der Captain und offensichtli