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Man hätte denken können, dass sich Captain Zadiya Ark vor der Crew derAnaconda versteckte. Aber tatsächlich versteckte sie sich vor jedem.
Und das ging ihr gewaltig auf die Nerven.
Ihr Hotelzimmer war klein, vielleicht zehn Quadratmeter, und das Bett schmal, schmaler, als sie es gewöhnt war. Die Einrichtung war, zugegeben, funktional und sauber, aber wirklich sehr überschaubar. Ein in die Wand eingelassener Tisch aus angelaufenem Plastik, ein Stuhl aus dem gleichen Material, ein durchgetretener Teppichboden, ein virtuelles Fenster, das sich nur auf »Strand, Hawaii, Sonnenuntergang« einstellen ließ. Ein flacher Bildschirm für das hiesige Unterhaltungsangebot, von dem sich Zadiya Ark keineswegs unterhalten fühlte. Die Nasszelle erfüllte zwar ihre Funktion, war aber so eng, dass sie nur auf der Toilette sitzen konnte, wenn sie ihre Füße in die Duschmulde steckte.
Vom Gang und den Nachbarzimmern hörte sie vulgäre Streitgespräche, miese Musik und hin und wieder schlechten Sex oder zumindest schlecht geschauspielerten. Dass hier die Räume eher stundenweise vermietet wurden, erschien ihr naheliegend. Sie hatte keine Vorurteile. Sie hatte nur ein überbeanspruchtes Nervenkostüm.
Smith, ihr Kontakt zum Widerstand, machte es ihr nicht einfacher. Er tauchte hin und wieder auf und brachte ihr eine Mahlzeit, die genauso schwer zu verdauen war wie die Neuigkeiten. Denn die Privatklinik, auf deren Dienste sie sich verlassen mussten, um aus Ark ihre eigene Halbschwester zu machen, erwies sich als nicht ganz so kooperativ, wie Smith erwartet hatte. Es gab Terminprobleme, und nicht alle Fragen der Diskretion waren geklärt. Smith hatte den Verdacht, dass dies nur ein Vorspiel war, das dazu diente, Probleme aufeinanderzutürmen, die man anschließend nur mit einer erhöhten Gebühr aus dem Weg räumen konnte. Dass der Widerstand nicht über unbegrenzte Geldmittel verfügte, hatte er Ark mehrfach deutlich gemacht. Aber bis auf Weiteres war er Herr der Verhandlungen, und sie sollte einfach nur warten.
Das war aber nicht so »einfach«. Schon am zweiten Tag hätte sie die Wände hochgehen können. Oder vielleicht sollte man eher sagen: Ark fiel die Decke auf den Kopf.
Bereits am zweiten Tag verließ sie deshalb – entgegen dem Ratschlag ihres Begleiters – das Hotel und behielt diese Gewohnheit auch an den folgenden Tagen bei. Erst wenn auf Ursa die offizielle Nacht eingebrochen war und man die Beleuchtung um einige Grade abdimmte, brach sie auf. Es war die Zeit, in der all jene, die keinen Schichtdienst hatten, sich nächtlichen Vergnügungen vom simplen Schlafen bis zu billigen Sex-Schauspielen hingaben. Dann waren die Gänge relativ leer, und einige nicht automatisierte Geschäfte hatten sogar ein paar Stunden geschlossen.
Ark wagte sich in Gegenden vor, die auf Landgang befindliche Flottensoldaten eher mieden – weitab der üblichen Etablissements in den eher langweiligen Bereichen des mächtigen Habitats. Nur um sich die Füße zu vertreten und nicht ständig auf die leicht gelblichen Plastikwände starren zu müssen. Selbst die Auslagen und holografischen Werbeplakate waren interessanter, obgleich Ark nichts kaufen wollte und nicht einmal großen Hunger verspürte. Sie brauchte lediglich ein Ventil für die tiefe Ruhelosigkeit, die sie ergriffen hatte.
Und so war es auch heute Abend. Dieser hatte deprimierend genug begonnen. Die Nachrichtenkanäle des Habitats berichteten einigermaßen neutral über die Unruhen und Gewalttaten im von Menschen besiedelten Raum. Es hatte sich dort nichts beruhigt oder gebessert, eher im Gegenteil: Diese »neue« Republik trat immer unverschämter auf, mischte sich überall ein, drohte und lockte, intervenierte, erpresste, manipulierte … irgendwann nach der dritten oder vierten Meldung waren Ark die Flüche ausgegangen.
Das Resultat war immer das gleiche: Destabilisierung, Umstürze, schwankende Regierungen, die plötzlich ihre Neutralität aufgaben – oder die sich erst recht in das sich allmählich formierende Gegenlager begaben, was auf einen neuen, alles umfassenden Krieg hinwies. Onyx, das wusste Ark aus ihren Gesprächen mit der dortigen Administration, fiel in letztere Kategorie. Der Geruch von Blut lag wieder in der Luft, und Zadiya Ark, Soldatin seit fast zwanzig Jahren, war es leid.
Dass es notwendig war, einen entscheidenden Schlag gegen das Regime zu führen, wurde mit jeder weiteren N