Einleitung
Ein Buch beginnt mit einem Satz: »Wir sind nicht in Deutschland, wir sind in Israel«, sagte ein Beter in der Stadt Lod angesichts der abgebrannten Synagoge.
Ein Buch beginnt mit einem Bild: Zwei Männer tragen zwei Thorarollen aus diesem verkohlten Bethaus.
Ein Buch beginnt mit einem Video: Ein aufgebrachter Mob überfällt einen wehrlosen Menschen. Er liegt regungslos auf der Straße. Ein Teenager steht neben seinem Kopf, beugt sich hinunter und schlägt ihm mit der Faust mehrmals ins Gesicht.
Ein Buch beginnt mit dem Post des Israelis Eliran als Reaktion auf ein Video verwüsteter arabischer Geschäfte: »Das ist nicht der Weg des Judentums,« schrieb er. »In der Geschichte sind schon zu viele Läden zerstört worden, nur weil ihre Besitzer jüdisch waren.«1 Dann sammelte der religiöse und zionistische Jude im Internet einige Tausend Schekel Spenden. Er fuhr hundert Kilometer von Beersheba nach Bat Jam und verteilte die Spenden unter den betroffenen arabischen Ladenbesitzern.
Während der gewaltsamen Ausschreitungen vom Mai 2021 war ich schockiert von der arabischen Gewalt, schämte mich für die jüdische und fand Trost in Elirans menschlicher Geste. Ein Jahr später war ich nach einer langen Coronapause wieder in Israel. Weil mich die Bilder von geschändeten Synagogen, brennenden Autos, Geschäften und Kulturstätten nicht losließen, beschloss ich, eine Reise durch Israel zu unternehmen, um den »Menschen an der Front« zu begegnen und ihnen zuhören, vor allem denjenigen, die an ein Zusammenleben glauben – aller Gewalt und Zerstörung zum Trotz.
Die beiden Grundprinzipien Israels als jüdischer und demokratischer Staat begleiten diesen seit seiner Gründung im Jahr 1948. Eine der zentralen Herausforderungen ist das Verhältnis zu den arabischen Israelis, die etwa ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, Tendenz leicht steigend. Ungeachtet der generell friedlichen Beziehungen kommt es immer wieder zu politischen Spannungen und auch Gewalt zwischen israelischen Juden und Arabern. Im Mai 2021 erlebte Israel die wohl schwersten Straßenschlachten seit 1948.
Wie haben arabische und jüdische Israelis diese Ausbrüche erlebt? Wie sehen sie die Zukunft? Diese Fragen sollen sich als roter Faden durch meine Bege