: Jan Skudlarek
: Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht Streitschrift für ein neues Wir
: Tropen
: 9783608119145
: 1
: CHF 16.10
:
: Gesellschaft
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Jan Skudlarek lädt uns dazu ein, das Kindergartenniveau aktueller liberaler Freiheitsvorstellungen zu überdenken. Es geht um nicht weniger als unsere Zukunft.« Max Czollek Ob Impfpflicht, Abtreibungsverbot, Wehrdienst oder Cannabislegalisierung - ethische Fragen betreffen uns alle. Allgemeinwohl vor Eigeninteresse? Oder: Mein Körper, meine Entscheidung? Der Philosoph Jan Skudlarek erörtert die großen Streitfragen unserer Gesellschaft, deckt gängige Irrtümer und falsche Argumentationen auf und entwirft so eine konkrete Handreichung für solidarisches Handeln im Zeitalter der Krisen. Vor über vierzig Jahren erschien das Hauptwerk des Philosophen Hans Jonas, in dem er sich damit beschäftigt, wo die Freiheit des Einzelnen endet: Das Prinzip Verantwortung. Heute ist die Frage nach Freiheit und Verantwortung brennender denn je - und gleichzeitig ungelöst. Was ist das eigentlich, Verantwortung? Warum fällt sie uns so schwer? Und wieso ist eben nicht an alle gedacht, wenn jeder an sich denkt? Ebenso wie ein Mensch mehr ist als die Summe seiner Zellen und eine Stadt mehr als die Summe ihrer Häuser, zeigen uns die gegenwärtigen Krisen, dass die menschliche Gemeinschaft mehr ist als die bloße Summe ihrer egoistischen Individuen. Doch wie gelingt gesellschaftlicher Zusammenhalt in Krisenzeiten? Jan Skudlarek entwirft in diesem Buch ein neues Wir: eines, das sich mit unserem Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung vereinen lässt. Eines, das solidarisch ist. Ein Wir, das trägt und verbindet, statt ausgrenzt und spaltet. »Wenn Freiheit toxisch wird, ist Solidarität die Antwort. Jan Skudlarek entwirft einen neuen Freiheitsbegriff, der uns durch die Krisen unserer Zeit navigiert. Ein kluges, differenziertes Buch.« Pia Lamberty

Dr. Jan Skudlarek (*1986) promovierte über die sozialphilosophische Frage, ob Gruppen handeln können - oder nur Individuen. Seitdem beschäftigt er sich in seinen Büchern und Artikeln mit gesellschaftsphilosophischen Themen. In der Corona-Krise arbeitet Skudlarek vermehrt in der Verschwörungstheorie-Aufkläru g - u.a. im Rahmen von (Online-)Workshops klärt er über konspiratives Denken auf und wie wir ihm begegnen können. Er arbeitet darüber hinaus als Dozent der Ethik und der Sozialpolitik an der Medical School Berlin (MSB) und ist Mitglied im wiss. Beirat vonveritas - Der Beratungsstelle für Betroffene von Verschwörungserzählungen. Zuletzt erschien »Wahrheit und Verschwörung« (2019) bei Reclam. Unterwegs auf Twitter und Instagram.

Kapitel 1

Me, Myself and I – Die individualistische Gehirnwäsche


Auf die Bitte des Energieministers Robert Habeck an die Bürgerinnen und Bürger, in Zeiten knapper Ressourcen nicht Ewigkeiten unbesorgt zu duschen, entgegneteFDP-Politiker Wolfgang Kubicki, damaliger Bundestagsvizepräsident: »Robert Habeck darf gerne so kurz duschen, wie er es für richtig hält. Ich schaue jedenfalls nicht auf die Uhr, wenn ich in der Dusche stehe. Ich dusche so lange, bis ich fertig bin.«[6] Einer der profiliertesten Politiker des Landes prahlte medial mit seinen Duschvorlieben. Ins selbe Horn blies Helmut Markwort, Gründer des MagazinsFocus: »Ich komme schamlos durch die Woche. Gestern habe ich trotz der Ermahnungen durch den Aktualitätsphilosophen Robert Habeck ausgiebig geduscht. Ich empfinde keine Spur von Duschscham und denke nicht daran, das erfrischende Wasser in Litern zu messen und zu rationieren. […] Die mündigen Bürger sollen in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie mit ihrem Verhalten zum Gemeinwohl beitragen wollen.«[7] Und eineBild-Kolumnistin wagte gar die kühne These: »Duschen ist die neue Freiheit!«[8]

Der Spott in diesen Zeilen ist kaum zu überlesen. Wir lesen hier nicht bloß die Meinungen von Menschen, die sich nicht in ihrer Handlungspraxis einschränken lassen wollen. Es geht hier nicht nur um Mündigkeit und Freiheit, nein, in diesen Aussagen steckt mehr. Jenseits unbändiger Freiheitsliebe schimmert Verachtung durch für jene, die es auch nur wagen, ihre Mitmenschen an die soziale Dimension des Freiheitskonzepts zu erinnern. Zur Debatte steht offenbar nicht nur, wie »die mündigen Bürger mit ihrem Verhalten zum Gemeinwohl beitragen«, sondern ob sie das überhaupt tun.

Ähnliches sah man während Corona. Abgesehen von einer die Maßnahmen mittragenden und sie aktiv umsetzenden Mehrheit, gab es Millionen Deutsche, die sich nicht haben impfen lassen. Millionen Mitbürger, die die Maskenpflicht ignorierten oder ihre Masken nur halbherzig, vielmehr halbnasig trugen. Der Vordenker d