Gegen den Strich
Sie fragt: Vielleicht möchten Sie mich in Aktion sehen?
Man hätte dann schon mal einen Eindruck.
Sie schlägt vor, dass wir uns in einem Raum der Staatsoper Unter den Linden treffen. Es ist später Vormittag, die Februarsonne hängt milchig hinter Wolken, drinnen ist es stickig, und Franziska Pietsch nimmt den Bogen, greift die Geige am Hals und legt sie in einer fließenden Bewegung unters Kinn. Dann lässt sie die Geige schreien. Von null auf hundert. Die Geige kreischt, jammert, weint. Und dann löst sich der Ton fast in Luft auf, ganz zart. Sie will das so.
Franziska Pietsch probt ein kaum bekanntes Stück von Eugène Ysaÿe, sein einziges Streichtrio. Musiker, die es gespielt haben, finden es »sauschwer« und »verworren«. Ysaÿe war ein Virtuose, der eines Tages nicht mehr Geige spielen konnte. Deshalb hat er komponiert. Er musste diesen Drang kanalisieren.
Die Komponisten, die Franziska Pietsch interessieren, brauchten die Musik als Ventil, weil sie etwas bedrängte.