Die christliche Predigtgeschichte begann, gemäß biblischer Erzählung, mit der Pfingstpredigt des Petrus vor Pilger:innen »aus allen Völkern unter dem Himmel« (Apg 2,5)1. Jene Predigt wird Petrus auf einem Platz in Jerusalem gehalten haben. Wann und wie aber kam die Kanzel als liturgischer Ort der Predigt ins Spiel?
DieGeschichte der Kanzel als Predigtort beginnt lange vor dem erstenAufbau einer Kanzel. Der Name »Kanzel« führt zurück in das 4. Jahrhundert, als zum ersten Mal von den sogenanntencancelli gepredigt wurde.2 Diecancelli waren kunstvoll verzierte Platten aus Holz, Stein, oder Metall, die in einer christlichen Basilika den Altarraum vom Gläubigenschiff abgrenzten. Diese Platten gaben der Kanzel aber nur den Namen. Historisch haben sie wenig mit der heutigen Kanzel zu tun. Lediglich die Funktion des Predigens verband sie.
Wie also kam der Gedanke eines Predigtstuhls, einer Kanzel, eines Predigt-Rednerpodests für das Predigtgeschehen auf? Um in diesem Buch einmal im westlichen Kontext zu bleiben, beginnen wir mit einem kurzen Blick in die griechisch-römische Antike.
Schon in der Urkirche verlangten die Theologie und das Verständnis des bischöflichen Amtes einen besonderen Predigtort: den Sitz des Bischofs. Der Predigtstuhl. Die Idee eines besonderen Stuhls für Predigt oder für Lehre: sie ist keine christliche. Dasselbe gilt für einen erhöhten Ort als Rednerpodest: Auch dies ist keine primär christliche Erfindung. Die Urkirche knüpfte hierfür an jüdische und antike Traditionen an: