Oktober 2004 auf dem Schulhof eines Kölner Gymnasiums. Ein Kumpel und ich stehen morgens vor dem Unterricht in der bitteren Kälte, teilen uns ein paar billige In-Ear-Kopfhörer und lauschen gebannt dem neuesten Album der Toten Hosen.Zurück zum Glück heißt die Platte, und sie konfrontiert uns mit vielen Fragen. Wer definiert hier die Moral? Was kann man tun, wenn das »Herz brennt«? Wie wahrscheinlich machen Drogen Spaß? Wie kommt der Wal zurück ins Meer? Reichlich Input für unsere 14-jährigen Gehirne, doch die Texte der Düsseldorfer faszinieren uns.
Es ist eine Geschichte, wie sie wahrscheinlich viele Deutsche erzählen können. Seit mehr als 40 Jahren sind die Toten Hosen ein fester Bestandteil der deutschsprachigen Popkultur. Sie waren da, als im November 1989 die Mauer fiel, als Deutschland 1990 Fußballweltmeister wurde, als Helmut Kohl im Jahr 1998 nach 16 Jahren den Posten des Bundeskanzlers räumen musste, als Deutschland 2014 noch einmal das WM-Finale gewann und als im Jahr 2021 die 16-jährige Kanzlerschaft von Angela Merkel endete. 17 Studioalben haben die Toten Hosen veröffentlicht; zwölf von ihnen landeten auf Platz eins der Albumcharts. Sie standen für mehr als 1.400 Konzerte auf der Bühne, nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in Argentinien, Australien, Chile, Japan, Peru, Kuba, Mexiko, China, Großbritannien, Uruguay, Finnland, Myanmar, Polen und Ungarn. Sie spielten mit den Rolling Stones, AC/DC, Metallica und U2. Sie traten illegal in der DDR auf. Sie haben Joey Ramone seine erste goldene Schallplatte beschert, Uli Hoeneß auf die Palme gebracht und Angela Merkel hat sich bei ihnen entschuldigt. Nur wenigen wird eine solche Geschichte zuteil - und da gibt es natürlich allerhand zu berichten.
In über 40 Jahren Bandhistorie kommen jede Menge Anekdoten zusammen, von Punkrock und Chart-Hits, von Rausch und von Nüchternheit, von Fußball und von Fernsehauftritten. Ob ich 2004 auf dem Schulhof des Kölner Gymnasiums gedacht hätte, dass ich die Geschichten der Toten Hosen knapp 20 Jahre später für ein Buch aufschreiben würde? Gewünscht habe ich es mir. Ich wollte schon früh Musikjournalist werden. Und die Hosen sangen bereits 1993: »Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft.«
Im Bestfall lesen nicht nur Hardcore-Hosen-Fans dieses Buch, sondern auch jene, die bisher nur »Tage wie diese« kennen. Ihr Hardcore-Fans wisst sowieso Bescheid. Und liebe Neulinge: Euch möchte ich vorab eine kurze Einführung geben, damit ihr wisst, mit wem ihr es nun über 100 Seiten lang zu tun haben werdet.
In ihren Ursprüngen beginnt die Geschichte der Toten Hosen im Jahr 1978. Damals ruft Sänger Andreas Frege alias Campino die Düsseldorfer Punkband Zentralkomitee Stadtmitte (kurz: ZK) ins Leben. 1980 steigt auch Gitarrist Andreas von Holst alias Kuddel in die Gruppe ein; der spätere Hosen-Bassist Andreas Meurer alias Andi ist bereits als Roadie dabei. Als sich ZK im Jahr 1981 auflösen, bleiben die drei zusammen. Ein Jahr später gründen sie mit Schlagzeuger Klaus-Peter Trimpop alias Trini Trimpop und Gitarrist Walter Hartung alias Walter November die Toten Hosen.
Die anfänglichen Besetzungskapriolen lauten wie folgt: Hartung steigt 1983 aus; stattdessen übernimmt Michael Breitkopf alias Breiti die zweite Gitarre. 1985 wechselt Trini Trimpop vom Schlagzeughocker auf den Managementsessel. Die Trommelstöcke übernimmt Jakob Keusen. Auch er bleibt nicht lange an Bord und übergibt seinen Job 1986 an Wolfgang Rohde alias Wölli. Dieser wird den Hosen 13 Jahre lang als Schlagzeuger erhalten bleiben. Als auch er den Dienst quittieren muss, rückt der Brite Stephen George Ritchie alias Vom Ritchie nach, der bis heute dabei ist.
Ihr DebütOpel-Gang veröffentlichen die Toten Hosen im Jahr 1983. Ihr fünftes AlbumEin kleines bisschen Horrorschau (1988) markier