Von lila Kühen, erschossenen Höhlen und einer Nacht am Strand
Sarah Bauer
Es ist kurz nach 4 Uhr morgens, als ich mit meiner Kamera in der Hand eine dunkle, nasse Wiese hinaufschleiche. Rechts und links von mir liegen große, braune Fellhaufen in der Dämmerung. Kühe. Dezent verwundert, was Mensch um diese infernalische Uhrzeit hier will. Ich bin Mensch, und ich will das Schloss Neuschwanstein im Sonnenaufgang fotografieren. Noch während ich mich über das laute Scheppern einer Kuhglocke direkt neben mir erschrecke und mich beunruhigt frage, ob Kühe wirklich nur Gras oder vielleicht doch Fleisch fressen – besonders um kurz nach vier –, rutsche ich beinahe auf einem noch warmen Fladen auf dem Boden aus. Große Kacke.
Das ist auch der Begriff, mit dem sich das Jahr 2020 ziemlich gut beschreiben lässt. Ein Jahr, das wirklich nichts ausgelassen hat und am besten verboten oder wenigstens mit einer Unvergnügungssteuer belegt werden sollte. Dennoch hat mich genau dieses Jahr auf eine große und wundersame Reise durch Deutschland geführt. 4.000 Kilometer und einen Monat lang bin ich allein unterwegs. Von meiner Hood – den Ruhrgebietshalden – in die Alpen und von einer Sommernacht in Dresden zur Strandnacht auf Rügen.
Nicht, dass irgendetwas davon geplant gewesen wäre. Eigentlich würde ich nämlich jetzt mit meinem Partner, der Amerikaner ist und in den Vereinigten Staaten lebt, auf seiner Terrasse im nördlichen US-Bundesstaat Wyoming sitzen und heißen Kakao mit Marshmallows trinken. Doch die Grenzen sind dicht wegen der internationalen Reisebeschränkungen durch Corona. Familienangehörige und Partner fallen meist in die Kategorie »nicht essenzieller Tourismus« und sind damit von der Einreise ausgeschlossen.
Ich habe meinen Lebensgefährten nun schon vier Monate lang nicht sehen dürfen und drehe fast am Schla