Es war ein wunderschöner Frühlingstag, die Birken und Weiden auf Gut Wornstein hatten sich mit den ersten grünen Blättern geschmückt. Vater und Tochter, die sehr naturverbunden waren, genossen diesen Tag. Der Stallbursche hatte ihnen ihre Lieblingspferde gesattelt, und nun galoppierten sie über Wiesen und Felder. Die Grenzen zu ihrem Besitz hatten sie schon lange hinter sich gelassen. Prinzessin Silja merkte, daß ihr Vater seinen Rappen zügelte, und wandte enttäuscht den Kopf. Wollte er etwa schon umkehren?
»Los, Papa!« rief sie ihm zu. »Nur keine Müdigkeit vorschützen! Bis zum Waldsee sollten wir auf alle Fälle noch reiten, dort können wir ja eine Pause einlegen.«
Rudolf Fürst von Wornstein lächelte. Sie war ein richtiger Wildfang, seine Tochter. Mit ihren
dunklen, kurzgeschnittenen Haaren sah sie fast wie ein Junge aus. Leider benahm sie sich des öfteren auch so. Das war natürlich kein Wunder, denn Silja war ohne Mutter aufgewachsen. Fünf Jahre war sie erst alt gewesen, als ihre Mutter gestorben war, und er hatte es nicht übers Herz gebracht, sie in ein Internat zu geben. Er wußte aber, daß es jetzt höchste Zeit war, ihre Freiheit zu beschneiden. Nächsten Monat würde Silja ih-ren einundzwanzigsten Geburtstag feiern, ein Grund mehr, sie endlich in die Gesellschaft einzuführen. Er lockerte die Zügel etwas, drückte seine Knie in die Seiten seines Rappen und ritt langsam auf seine Tochter zu.
»Papa, was ist los?« Die Prinzessin runzelte die Stirn.
»Nichts!« Ihr Vater zwang sich wieder zu einem Lächeln. »Entschuldige, ich habe gerade an etwas gedacht. Wir sollten uns einmal ausführlich darüber unterhalten.«
»Einverstanden!« Silja tätschelte den Hals ihrer Stute, die bereits ungeduldig mit den Hufen scharrte. »Aber machen wir das nicht täglich?« Sie hob wieder den Kopf und schenkte ihrem Vater ein Lächeln. »Laß uns doch bis zum Waldsee reiten. Wollen wir um die Wette reiten?« Ihre Augen blitzten auf. »Mal sehen, ob du es noch schaffst und schneller bist als ich.«
Fürst Rudolf schmunzelte. Er wußte, daß seine Tochter eine ausgezeichnete Reiterin war. Ihre Liebe gehörte den Pferden, und täglich konnte man sie auf der Koppel antreffen. »Wieviel Vorsprung soll ich dir lassen?«
Silja trieb ihr Pferd an die Seite des Vaters. »Auf los geht’s los!« Sie warf ihrem Vater noch einen raschen Seitenblick zu, dann rief sie: »Los!« Sie schnalzte mit der Zunge, ihre Stute streckte sich und schoß davon.
Fürst Rudolf zögerte nicht, er beugte sich über den Hals seines Rappen und galoppierte hinter seiner Tochter her. Auch seine Frau war eine gute Reiterin gewesen, mit ihr war er fast täglich ausgeritten. Die Jahre fielen von ihm ab, er wurde wieder jung, fühlte sich herausgefordert. Bald hatte er seine Tochter eingeholt, aber so sehr er sein Pferd auch anfeuerte, es gelang ihm nicht, Silja zu überholen. Gleichzeitig sprangen sie über einen kleinen Wasserlauf, dann lag auch schon der Waldsee vor ihnen. Nun schwangen sie sich von den Pferderücken und lachten sich an.
»Das war herrlich! Und ich muß gestehen, du bist eine vorzügliche Reiterin.«
»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Du reitest wie ein Junge.« Silja lachte übermütig. Über den Pferderücken hinweg betrachtete sie dabei ihren Vater. »Du bist auch noch nicht alt«, stellte sie dann fest.
»Nun ja! Die Jahre sind vergangen.« Fürst Rudolf führte seinen Rappen zum Zaun und band ihn dort fest. Er dachte gar nicht daran, seiner Tochter zu verraten, daß er kurz zuvor an ihre Mutter gedacht hatte. Aber er ahnte nicht, daß sich seine Tochter seinetwegen auch so ihre Gedanken machte.
Silja ergriff ihr Pferd am Zügel und folgte ihrem Vater. Er nahm ihr die Zügel aus der Hand und band ihre Stute nun ebenfalls am Zaun fest. Erneut betrachtete sie ihn nachdenklich. »Du bist ein richtiger Kavalier, Papa! Ich bin sicher, daß du eine Frau sehr glücklich machen würdest.«
»Aber Kind!« Fürst Rudolf konnte nichts dagegen tun, aber seine Wangen färbten sich.
»Du solltest einmal darüber nachdenken«, fuhr Silja eifrig fort. Bereits s