Stellen Sie sich vor, Sie würden im Jahr 500 n. Chr. leben. Sie sind das Oberhaupt eines Stammes und haben eine wunderschöne Tochter namens Amalaberga. Theuderich, der älteste Sohn des Anführers eines Nachbarstammes, sucht eine Frau, findet aber keine. Kurzerhand entführt er mit ein paar Männern Amalaberga. Was machen Sie nun als Stammesoberhaupt? Es gibt keine Gesetze, Gerichte und Richter. Wenn jemand Ihnen oder einem Angehörigen ein Leid zufügt, bleibt Ihnen nur die Selbstjustiz. Also nehmen Sie sich ein paar Krieger und machen sich auf zum Nachbarstamm. Doch Theuderich will seine neue Eroberung nicht so einfach hergeben. Es kommt zum Kampf, wobei Theuderich stirbt. Daraufhin schwört dessen Vater Blutrache. Er fällt mit ein paar Kriegern in Ihr Dorf ein und tötet Ihren ältesten Sohn und noch ein paar Ihrer Männer. Nach dem Prinzip »Auge um Auge, Zahn um Zahn …« rächen Sie sich an dem Stammesfürsten und seiner Familie. Diese schreitet wiederum zur Vergeltung. Gewalt führt zu noch mehr Gewalt. Zwei Ihrer Söhne sterben, der dritte wird verkrüppelt. Schon bald wird das Leben beider Stämme davon beherrscht, sich gegenseitig auszurotten. Bei dieser blutigen Sippenfehde gilt einzig das Recht des Stärkeren. Würden Sie gerne in so einer Welt leben?
Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft erfordert Regeln. Die Aufgabe des Strafrechts besteht darin, Frieden und Sicherheit zu gewährleisten, indem es sozialschädliche Verhaltensweisen verbietet. Durch die Androhung von Strafe sollen potenzielle Täter abgeschreckt werden, Straftaten zu begehen. Kommt es dennoch zu Straftaten, sollen diese aufgeklärt werden. Der Schuldige ist zu bestrafen, der Unschuldige freizusprechen. Dies dient auch der Genugtuung der Opfer, die erlittenes Unrecht nicht selbst rächen dürfen, sondern dies dem Staat überlassen müssen. Der durch die Tat gestörte Rechtsfried