: Eva Lohmann
: Das leise Platzen unserer Träume Roman | Roman | Ein authentischer Roman über Liebe, Mutterschaft und das Neuerfinden von Lebensträumen »Wie ein Gespräch mit der besten Freundin.« Süddeutsche Zeitung
: Eisele eBooks
: 9783961611782
: 1
: CHF 9.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Bleiben oder Gehen? Wenn deine Träume platzen, gibt es immer noch Plan B. Ein Haus auf dem Land. Das hast du dir immer gewünscht, Jule. Dazu ein wilder Garten, durch den eure Kinder rennen. So hast du dir das Glück vorgestellt.  Doch die Kinder sind nie gekommen. Und dein Mann hat jetzt eine Affäre in der Stadt. Ihr Name ist Hellen, und Hellen denkt viel an dich. Vielleicht ein bisschen zu viel.  Oft fragt sie sich, warum du und dein Mann noch immer zusammen seid. Wie zwei Menschen es so lange miteinander aushalten können, wenn ihre gemeinsamen Träume doch längst geplatzt sind.  Aber von alldem hast du keine Ahnung, Jule. Du weißt nicht von Hellen und nicht von ihren Fragen. Noch nicht. Noch sitzt du da, in deinem hübschen Garten, und überlegst, ob das, was du hast, vielleicht doch reichen könnte, um glücklich zu sein. »Wie ein Gespräch mit der besten Freundin.« Süddeutsche Zeitung

 EVA LOHMANN, Jahrgang 1981, lebt als freie Autorin in Hamburg und hat eine Tochter. Wie du mich ansiehst ist ihr neuer Roman nach dem großen Erfolg von Das leise Platzen unserer Träume. 

Jule


Annis Kind kam vierzehn Tage zu früh, was beim dritten Baby niemanden wunderte. Es kam außerdem so schnell, dass Anni und Olaf es nicht mehr ins Krankenhaus geschafft hatten. Das Kind wurde eine Hausgeburt. Jule mochte das Wort. Und sie mochte die Idee. Ein Kind im eigenen Haus bekommen, im eigenen Bett oder vielleicht auf dem Wohnzimmerteppich vor dem Kamin. Später dann dem Kind sagen können: »Dieser leicht verwaschene rosa Fleck auf dem Teppich, der kommt von dir.« Das waren allerdings keine Gedanken, die Jule jemals mit irgendwem geteilt hätte; schon gar nicht mit Anni. Hier auf dem Land hielt man wenig von Hausgeburten. Man fuhr in ein ordentliches Krankenhaus mit Ärzten und Hebammen und einem Kreißsaal, den man hinterher feucht durchwischen und desinfizieren konnte. Anni wollte mit Sicherheit keinen verwaschenen Geburtsfleck auf ihrem Teppich.

Jule war vorbereitet, sie hatte im Internet ein Geschenk besorgt. Kleine bunte Holzbabuschkas, die man auseinandernehmen konnte, und immer wieder erschien ein noch kleineres Wesen im Bauch des anderen. Kurz überlegte sie, das Geschenk vor die Tür zu stellen – Stadt-Jule hätte das mit Sicherheit so gemacht. Land-Jule aber hatte so ein Gefühl, dass das unfreundlich wirken könnte, deswegen klingelte sie, und Anni machte die Tür auf. Müde, mit wildem Haar, das Neugeborene im Arm, die zwei anderen wuselten um sie herum. Sofort bereute Jule ihre Wahl mit den Babuschkas; was für ein unnützes Geschenk, das Kind auf Annis Arm konnte noch nicht mal die Augen öffnen. Sie überreichte ihr Päckchen trotzdem, gratulierte und fragte, wie es Anni gehe.

»Muss ja«, sagte Anni, und Jule war kurz verwirrt, aber dann fiel ihr Blick auf die anderen beiden Kinder, und da wusste sie, ja, die ganze Situation ließ die Aussage ausnahmsweise wirklich wahr erscheinen.

Annis Kind war nicht das einzige Lebewesen, das in dieser Nacht beschlossen hatte, ins Dorf zu kommen. Am Morgen saß eine nicht mehr ganz junge getigerte Katze auf dem Küchensofa, David entdeckte sie als Erster und rief sofort nach Jule. Ein paar Sekunden lang glaubte sie, David hätte die Katze als Überraschung für sie gekauft. Aber nachdem beide das Tier über Minuten angestarrt hatten, verstand sie, dass es anders gewesen sein musste. Die Katze war durch die Katzenklappe gekommen. Ein kleines Rechteck in der Terrassentür; die Vorbesitzer hatten es einbauen lassen. Immer mal wieder in den letzten Jahren hatten David und Jule überlegt, das Teil auszubauen, aber das alte Bauernhaus hatte so viele dringendere Baustellen, dass sie es andauernd verschoben und irgendwann vergessen hatten. Jetzt hatte also eine Katze die Klappe entdeckt und eben das getan, was Katzen mit Katzenklappen tun. Sie war hindurchgeschlüpft.

»Was machen wir jetzt?«, fragte David, und Jule antwortete, dass man doch einfach mal abwarten könnte, was denn die Katze mache.

Die Katze lief auf leisen Pfoten durchs Haus, schnupperte sich von Zimmer zu Zimmer, dicht gefolgt von Jule, die ihr vorsichtig alle Türen öffnete.

»Ich glaube, sie sucht etwas«, rief sie David zu, als die Katze ins Bad lief und sich einmal um sich selbst drehte.

»Vielleicht ein Katzenklo?«

Und das war der Moment, in dem Jule und David nicht länger abwarteten, was die Katze machte – sondern selbst etwas machten. David holte eine alte Plastikschüssel aus dem Schuppen und füllte sie mit etwas Sand. Jule schaute in den Küchenschränken, welches ihrer Lebensmittel man einer Katze anbieten konnte. Und damit war klar gewesen: Die Katze war willkommen. Das Tier nutzte zwar weder das improvisierte Katzenklo noch war sie interessiert an den von Jule bereitgestellten Bacon-Chips, aber sie blieb, rollte sich auf dem Sofa zusammen und beobachtete Jule, die an diesem Morgen Salzzitronen herstellte und in Gläser füllte,