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»DUBISTDIEERBIN,DIEüber das Meer und das Land, den Himmel und die Königreiche herrschen wird. Eine Königin anstelle eines Königs. Du bist die Primarin des Lebens«, hauchte Nyktos, derAscher, der Gesegnete, der Wächter der Seelen, der Primar des einfachen Mannes und des Todes. Die Lippen, die heißen Atem über meine Haut geschickt, aber auch die kalte, brutale Wahrheit gesprochen hatten, waren staunend geöffnet, und in seinen geweiteten, silbernen Augen tanzte der Äther, die Essenz der Götter. Ehrfurcht und Verwunderung ließen das harte Gesicht mit den hohen, breiten Wangenknochen, der geraden Nase und dem gemeißelten Kinn weicher wirken.
Seine gewellten rotbraunen Haare fielen ihm auf die Wangen, während er sich auf ein Knie sinken ließ, die linke Hand flach auf den Boden des Thronsaales legte und die rechte auf seine Brust presste.
Nyktosverbeugte sich vormir.
Ich wich erschrocken zurück. »Was machst du da?«
»Der Primar des Lebens ist das mächtigste Wesen in allen Welten. Mächtiger als alle anderen Primare und Götter«, erklärte Sir Holland, der allerdings nicht mehr derselbe Mann war, den ich einst gekannt hatte. Der ehemalige Ritter der königlichen Wache von Lasania war nicht einmal ein Sterblicher. Aber er war auch kein Gott. Er war einArae, ein verfluchter Schicksalsgeist, der die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft kannte und keinem Primar unterstand.
Die Schicksalsgeister waren genauso Furcht einflößend wie die Primare – und ich hatte diesen Mann unzählige Male im Kampf in den Hintern getreten.
»Er zollt dir den Respekt, den du verdienst, Sera«, fügte Holland hinzu, nachdem ich nicht aufhören konnte, Nyktos anzustarren.
»Ich bin aber nicht die Primarin des Lebens.« Das war doch offensichtlich, oder?
»Du trägst die einzige verbliebene Glut des Lebens in dir«, sagte Nyktos, und seine tiefe, sanfte Stimme schickte einen Schauer nach dem anderen durch meinen Körper. »Du bist also in jeglicher Hinsicht die Primarin des Lebens.«
»Er hat recht.« Die Göttin Penellaphe trat näher und hielt unter der offenen Decke inne. Der Sternenhimmel warf einen sanften Schimmer auf ihre warme hellbraune Haut. »Es abzustreiten ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.«
»Aber ich bin doch bloß eine Sterbliche …« Die Luft, die ich einatmete, hielt sich nicht in meiner Lunge, und Nyktos kniete immer noch vor mir. »Kannst du bitte aufstehen oder dich hinsetzen? Alles, außer vor mir zu knien? Das ist einfach schräg.«
Nyktos neigte den Kopf, und noch mehr Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht. »Aber du bist die wahre Primarin des Lebens, genau wie mein Vater es einst war. Wie Holland schon sagte: Ich zolle dir Respekt.«
»Aber ich verd…« Ich brach ab, mein Herz klopfte und meine Brust zog sich zusammen. Der Äther in seinen Augen schien