Sokrates trifft einen „Glückslehrer“
Ich fange mit meinem Lieblings-Hass-Thema an: den Coaches, Gurus und Beratern, die wie Zecken am Arsch unserer Gesellschaft kleben und aus Scheiße Gold machen. Meine Feindesliste ist an sich übersichtlich, aber solche Leute sind Platz 1, Platz 2 sind Immobilienmakler (auch Zecken) und Platz 3 ist Hitler (keine Zecke, dafür vollwertiges Arschloch).
Also, was haben wir denn da?
Auf der einen Seite haben wir Menschen, die anscheinend mehr vom Leben wollen. Irgendwie will das aber auch jeder. Zwar gilt Verzicht inzwischen alswoke6, aber kaum jemand will ihn wirklich praktizieren, diesen Verzicht. Wir müssen haben und zeigen. Gut. Ein paar können das. Ein paar andere nicht. Die bezahlen dann gerne viel Geld für folgende Rattenfänger (Und bitte, stell sie dir so realistisch wie möglich vor!): Sie stehen auf einer Bühne, Mikro ist an, die Lampen auf sie gerichtet. Unter ihnen wartet eine gierige Menge, die endlich Glück, Erfolg, Gesundheit und Reichtum haben will. UND DIESE COACHES HABEN DEN SCHLÜSSEL! Ganz einfach: Es liegt am negativen Mindset der Leute! Und die Coaches sind dazu da, dieses Mindset zu verändern. Natürlich nicht kostenlos. Wo kämen wir hin, wenn Hilfe nichts kosten würde? Moment mal! Ja, richtig! Hilfe, die kostet, ist keine Hilfe, sondern eine Dienstleistung. Diese Freaks sind keine Helfer. Es sind Unternehmer, die Produkte und Leistungen an bedürftige Leute verschachern und selber mit Halbbildung protzen. Es sind wirklich dumme Leute!
Aber vor lauter Bedürftigkeit erkennt das eben Ulrike F. (43) nicht. Ulrike muss ihr Leben ändern und Reichtum anziehen. Dazu muss sie nur die richtigen Energien aussenden, denn es gilt: Alles, was du aussendest, kommt dreifach zu dir zurück. Das ist natürlich Käse! Wenn ich einmal pupse, kommen nicht drei Furze zu mir zurück. Und sollten tatsächlich 20 Jahre später drei wohlige Winde mir entgegenwehen, haben diese vermutlich nichts mehr mit meinem Impulspups zu tun.
Noch weitere Sprüche gefällig? Halt! Wir gucken uns zunächst so einen Coach-Berater-Guru-Freak an.
Wir nennen unser Exemplar Frank. Frank ist ein Coach. Er hat nie richtig studiert oder gearbeitet. Aber er hat schon früh Eckhart Tolle7 gelesen, sich mit Yoga beschäftigt und mit Buddhismus, Taoismus und anderen scheinbar exklusiven Heilswegen. Er hat rasch kapiert, dass er nur affirmieren muss, um alles zu kriegen, was er will. Moment! Da haben wir schon ein Problem! Er will etwas! Ist das nicht Ego? Das soll nämlich in solchen Kreisen aufgegeben werden. Also macht es sich Frank denkbar einfach: Er versteht sich als Werkzeug des Universums. Und zack: Ego-Problem gelöst.
Nun weiß unser Coach auch, dass einige der großen Weisheitslehrer, auf die er sich stützt, Reichtum verteufeln. Frank braucht also wieder einen Kunstgriff. Er will ja Kohle und trotzdem weise sein. Er muss also seinen schicken Benz und die ganzen Lacoste-Pullover in vollkommener Demut annehmen, weil das Universum es ihm schenkt. Dass woanders arme Kinder Kleidung produzieren müssen, muss an deren negativem Mindset liegen. Denn jeder kann glücklich sein. Es braucht nur das richtige Mindset!
Dass Frauen vergewaltigt werden, muss an deren Mindset liegen, dass Menschen in Arbeitslosigkeit verfallen, muss an deren Mindset liegen, dass Menschen an Krebs oder im Krieg sterben, muss an deren Mindset liegen.
Deshalb gilt: Diese Leute müssen zu Frank, er hilft ihnen. Nein, natürlich nicht. Er will deren Geld! Also geht es um VerGELTung, nicht um Hilfe.
Frank ist 1,80 groß. Er wirkt gepflegt, trägt gerne Jeans und ein Hemd – natürlich sind die obersten beiden Knöpfe offen. Es ist lässig.