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Rusty Rutherford verließ sein Apartment an einem Montagmorgen – genau eine Woche nachdem er fristlos entlassen worden war. Nachdem das Beil gefallen war, verbrachte er die ersten Tage bei zugezogenen Vorhängen, ernährte sich von seinem Vorrat an Tiefkühlpizzen und wartete darauf, dass sein Telefon klingelte.Erhebliche Schwächen, stand in dem Kündigungsschreiben.Totalversagen als Führungskraft. Grundsätzliche Fehler und Fehleinschätzungen. Unglaublich! Eine völlige Verzerrung der Wahrheit. Und so unfair. Tatsächlich versuchte man, ihm die Verantwortung für die gegenwärtigen Probleme der Stadt aufzubürden. Das war … ein Riesenfehler. Schlicht und einfach. Was bedeutete, dass er bestimmt korrigiert werden würde. Und zwar bald.
Die Stunden verstrichen quälend langsam. Sein Telefon blieb stumm. Und sein E-Mail-Account wurde mit nichts als Spam zugemüllt.
Er leistete noch einen Tag länger Widerstand, dann schnappte er sich seinen alten Laptop und schaltete ihn ein. Er besaß keine Schuss- oder Stichwaffe. Er konnte sich nicht von einem Hubschrauber abseilen oder mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springen. Aber trotzdem würde irgendjemand dafür büßen müssen. Vielleicht würden seine realen Feinde damit durchkommen. Dieses Mal. Aber nicht die Schurken in den Videospielen, die ihm ein Freund, der Spiele entwickelte, geschickt hatte. Bisher war er vor ihnen zurückgeschreckt. Die Gewaltszenen waren ihm zu extrem erschienen. Zu unnötig. So war ihm nicht mehr zumute. In Zukunft würde er keinen Pardon mehr geben. Es sei denn …
Sein Telefon blieb stumm.
Vierundzwanzig Stunden später hatte er jede Menge persönlicher Bestleistungen aufgestellt und war leicht dehydriert, aber ansonsten hatte sich nicht viel ereignet. Er klappte den Laptop zu und sackte auf seiner Couch zusammen. Dort blieb er für den Rest des Tages hocken, spielte willkürlich ausgewählte Blu-Rays, an deren Kauf er sich nicht erinnern konnte, und flehte das Universum stumm an, ihn wieder arbeiten zu lassen. Er würde sich anders verhalten, schwor er. Umgänglicher sein. Geduldiger. Diplomatisch. Sogar mitfühlend. Er würde fürs ganze Büro Doughnuts kaufen. Zweimal im Monat. Auch dreimal, wenn das die Voraussetzung für einen Deal war.
Sein Telefon blieb stumm.
Er trank nicht oft, aber was blieb ihm anderes übrig? Eben lief der Abspann einer weiterenDVD. Weil er keine Filme mehr ertragen konnte, wich er in die Küche aus. Holte eine ungeöffnete Flasche Jim Beam hinten aus einem Schrank. Kehrte damit ins Wohnzimmer zurück und legte eine verkratzte alteLP von Elmore James auf den Plattenteller.
Als er auf dem Bauch liegend aufwachte, hatte er … wie lange geschlafen? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass sein Schädel voller Felsbrocken zu sein schien, die sich aneinander rieben, während sie seinen Kopf zu sprengen versuchten. Er fürchtete, dieser Schmerz würde niemals mehr aufhören. Aber als sein Kater endlich abklang, spürte er eine neue Gefühlsregung: Trotz. Schließlich war er sich keiner Schuld bewusst. Keines der schlimmen Dinge, die passiert waren, war seine Schuld. Das stand verdammt fest. Er war nur derjenige, der sie vorausgesehen hatte. Der seinen Chef vor ihnen gewarnt hatte. Wieder und wieder. Öffentlich und privat. Und der ignoriert worden war. Wieder und wieder. Daher beschloss Rutherford, nachdem er sich zwei Tage lang eingeigelt hatte, nun sei es an der Zeit, sein Gesicht zu zeigen. Seine Seite der Story zu erzählen. Jedem, der sie hören wollte.
Nachdem er geduscht hatte, suchte er ein paar Sachen zusammen. Chinos und ein Polohemd. Brandneu. Gedeckte Farben ohne auffällige Logos, um seine Ernsthaftigkeit zu unterstreichen. Seine Schuhe fand er in der Diele, wo er sie wutentbrannt weggeschleudert hatte. Autoschlüssel und Sonnenbrille n