Vorwort
Liebe ist unsere Hoffnung
Liebe und Tod stellten die großen Mysterien meiner Kindheit dar. Wenn ich mich nicht geliebt fühlte, wollte ich sterben. Mit dem Tod würde das traumatische Gefühl verschwinden, nicht gewollt, fehl am Platz zu sein, nie irgendwo hinzugehören. Ich wusste schon damals, dass die Liebe dem Leben eine Bedeutung verleiht. Mich beunruhigte nur, dass nichts von dem, was ich über die Liebe hörte, zu der Welt um mich herum passte. In der Kirche lernten wir, dass die Liebe friedlich, gütig, nachsichtig, erlösend und treu sei. Und dennoch schienen alle Beziehungen von Problemen geprägt zu sein. Schon als Kind brachte mich die Diskrepanz zwischen dem, was die Leute über die Liebe sagten, und dem, wie sie sich verhielten, zum Grübeln.
Als junge Frau, die hoffte, Liebe zu finden, war ich enttäuscht von den Beziehungen, die ich erlebte, und beunruhigt von meinen eigenen Bemühungen. Obwohl ich in einer Zeit zur Frau heranwuchs, in der es viel um freie Liebe und offene Ehen ging, träumte ich davon, einen Partner für den Rest meines Lebens zu finden. Meine Vorstellungen von der Ehe waren vom Verhältnis meiner Großeltern mütterlicherseits geprägt, die mehr als fünfundsiebzig Jahre lang zusammen gewesen waren. In einem Essay über ihre Beziehung mit dem Titel »Inspired Eccentricity« (dt. »Geniale Exzentrik«) beschrieb ich, wie unterschiedlich die beiden waren, und trotzdem war ihr Verhältnis zueinander von dem geprägt, was der Psychologe Fred Newman als »radikale Akzeptanz« bezeichnet. Ihnen gelang die ungewöhnliche Mischung aus Zusammensein und Unabhängigkeit, die gesunde Beziehungen ausmacht, jedoch schwer zu erreichen ist. Ich selbst habe sie bisher nicht gefunden, die Suche aber noch nicht aufgegeben.
Seit meiner Studienzeit bis heute halten es die meisten Menschen, denen ich begegne, für albern und naiv, eine lebenslange Beziehung anzustreben. Immer wieder werden die hohen Scheidungsraten und die alltäglichen Trennungen homo- und heterosexueller Paare angeführt als Beweis dafür, dass es einfach kein realistischer Wunsch sei, das ganze Leben mit einem Menschen zu verbringen. Viele dieser Menschen sind zynischerweise davon überzeugt, dass Paare, die länger als zwanzig Jahre zusammen sind, im Normalfall unglücklich sind oder einfach nebeneinanderher leben. Auf viele Ehen trifft das sicherlich zu (meine Eltern sind seit fast fünfzig Jahren zusammen, waren aber niemals glücklich miteinander). Doch es gibt Paare, für die es das reinste Glück ist, ein ganzes Leben miteinander zu verbringen. Ihre Bande stehen genauso sehr dafür, was realistisch und möglich ist, wie die vielen kaputten und zerrütteten Beziehungen.
Ich lernte durch das Vorbild meiner Großeltern, dass eine beständige, von Freude erfüllte Beziehung zwischen zwei Menschen nicht bedeutet, dass es keine Tiefschläge oder schwierigen Zeiten gäbe. In meinem ersten Buch über Liebe –Alles über Liebe: Neue Sichtweisen – betone ich immer wieder, dass Liebe nicht das Ende aller Probleme bedeutet, sondern uns die Kraft verleiht, sie konstruktiv anzugehen. Jenes Buch ist, wie auch dieses hier, Anthony gewidmet, mit dem ich damals lange Gespräche über das Wesen der Liebe führte (und immer noch führe). Als Mann Mitte dreißig, dessen Eltern sich trennten, als er ein Kind war, kann er sich keine lebenslang andauernde Beziehung vorstellen. Schon der Gedanke daran kommt ihm »seltsam« vor. Er lernt erst durch eigene Erfahrung, darauf zu vertrauen, dass beständige Bindungen geschätzt und gepflegt werden sollten.
Es tut Liebesbeziehungen gut, wenn man stetig an ihnen arbeitet. Konstanz inmitten von Wandel stärkt jede Verbindung. Sowohl in Liebesbeziehungen als auch in Freundschaften genieße ich es, Veränderungen mit geliebten Menschen zu erleben und zu sehen, wie wir uns entwickeln. Was ich dabei empfinde, ist vergleichbar der Freude und dem Staunen, wie es liebevolle Eltern verspüren, wenn sie miterleben, dass ihre Kinder unzählige Veränderungen durchlaufen. Einen langjährigen Partner zu haben, der sowohl an unserem Wachstum teilnimmt als auch dessen Zeuge ist, zählt zu den größten Freuden der Liebe. Ich feiere die beständige Liebe inAlles über Liebe –Neue Sichtweisen, einem Werk, in dem es um die allgemeine Bedeutung von Liebe in unserer Gesellschaft geht und darum, was wir über Liebe wissen sollten.
Als ich während der Lesereise zum Buch in staatlichen Schulen auftrat, erschreckte es mich immer wieder, wenn Schwarze Kinder aller Altersstufen voller Überzeugung erklärten, dass die Liebe gar nicht existiere. Es erschütterte mich ein ums andere Mal bis ins Mark, dass junge Schwarze mit Nachdruck erklärten: »So etwas wie Liebe gibt es nicht.« InAlles über Liebe definiere ich Liebe als eine Kombination aus Fürs