»Reden reicht nicht!?« – Beim Abendessen nach dem zweiten Planungstreffen zur Organisation eines Kongresses zu bifokal-multisensorischen Interventionstechniken schlugBeate Ch. Ulrich, Geschäftsführerin des Carl-Auer Verlages, zwischen zwei Gabelfüllungen spontan diesen Kongress-Titel vor. Michael Bohne hatte zuvor beiläufig erwähnt, dass viele Seminarteilnehmer in den Vorstellungsrunden der PEP-Kurse äußerten, dass in der Praxis reden allein oft nicht reiche. Allen Anwesenden war sofort klar: Das trifft es. Über ihre Intonation hatte die Ideengeberin, ob nun bewusst oder nicht, auch unmissverständlich mit eingebracht, dass neben das Ausrufezeichen ein Fragezeichen gehöre. Es sollte von Anfang an ja nicht um profitables Marketing für irgendwelche Formen therapeutischer Interventionen und Modelle gehen, sondern um Begegnung, Austausch, Lernen und Kontroverse. Und all dies sollte sich auch durchaus konfrontativ gestalten dürfen (was die einen oder anderen Vortragenden und Teilnehmer an Podiumsdiskussionen und Themenforen dann auch nutzten). Es ging auf dem Kongress ja auch darum, die teils verdeckt, teils offen, vor allen Dingen aber teils unschön ausgetragenen Konkurrenzen einem öffentlichen Forum zuzuführen, um ihre professionellere Beobachtung zu ermöglichen und alle daran Interessierten in eine gemeinsame, zugewandtere Lernatmosphäre einzuladen. Dafür durfte der Titel aber auch eine provozierende Note haben.1
Ein erklärtes Ziel derCarl-Auer Akademie ist es, unwahrscheinliche Kommunikation wahrscheinlich zu machen: Menschen treffen sich, die sich sonst eher nicht begegnet wären – oder eine Begegnung vielleicht sogar vermieden hätten –, und es entstehen Gelegenheiten, Neues entstehen zu lassen. Dafür muss man Räume für sich strukturierende Kommunikation schaffen. In diesen soll – ein weiteres erklärtes Ziel – möglichst Nutzen entstehen für beraterische, therapeutische und medizinische Forschung und Praxis.2
Das ist im Mai 2014 unwahrscheinlich gut gelungen: Der erste Kongress »Reden reicht nicht!? – Bifokal-multisensorische Interventionstechniken«, zu dem die Carl-Auer Akademie in Kooperation mit den Milton-Erickson-Instituten Heidelberg und Rottweil sowie dem Institut für Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie (PEP) – namentlich Gunther Schmidt, Bernhard Trenkle und Michael Bohne – und der Trenkle Organisation GmbH eingeladen hatte, brachte hochinteressierte und -motivierte Menschen aus unterschiedlichen professionellen Feldern und therapeutisch-beraterischen Konzeptwelten in Heidelberg zusammen.
Teilnehmende wie Referierende konnten erfahren, wie auch ein zweites, in der Kongressankündigung erklärtes Ziel erreicht werden kann: Im Mittelpunkt steht die fachliche Kontroverse, die über die Darstellung der eigenen Positionen deutlich hinausgeht und Wege für neue Entwicklungen sowie Modelle für die Zukunft schaffen hilft. Dass es bei solchen Begegnungen auch dampft und kracht, ist in kreativen Labors gang und gäbe und muss nicht in Widerspruch zu Respekt und Wertschätzung geraten.
Thematisch gingen die Beiträge und Diskussionen des Kongresses auch über den zunächst enger gezogenen Kreis sogenannter bifokalmultisensorischer Techniken hinaus.
In dem vorliegenden Buch geben neun Autoren aus unterschiedlichen Perspektiven Einblicke in Konzepte und Praxis solcher wissenschaftlicher, konzeptioneller und methodischer Ansätze zur Entwicklung eines vertieften Verständnisses beraterischer und therapeutischer Vorgehensweisen, die entweder über »bloßes« Reden teils weit hinausgehen oder die sich dem Reden in anderer, bislang weniger beobachteter Form anschließen bzw. anders zu ihm positionieren.
Michael Bohne eröffnet das Spektrum mit der kritischen Positionierung der von ihm entwickelten Prozess- und Embodimentorientierten Psychologie (PEP) in Bezug zu und Abhebung von Traditionen verschiedener körperorientierter Verfahren und Klopftechniken (wenn man es mit einem von Helm Stierlin geprägten Begriff sagen wollte: die bezogene Individuation von PEP). Besonderes Augenmerk gelten der therapeutischen Beziehung und deren möglichst großer Leichtigkeit, der kritischen Reflexion bisher angebotener wissenschaftlicher »Erklärungen« für erfolgreiche Techniken sowie