1. KAPITEL
Deshalb haben sie also so geheimnisvoll getan und dauernd getuschelt und geflüstert.
Micah Muldare saß auf der Couch und betrachtete das Geschenk, mit dem seine Söhne ihn überrascht hatten. Er hatte nicht damit gerechnet, erst recht nicht zu einem Tag, den er noch nie auf sich bezogen hatte. Er hatte es gerade ausgepackt, und jetzt stand es auf dem Tisch. Verwirrt starrte er sein Geschenk an.
Seine Jungen, der vier Jahre alte Greg und der fünfjährige Gary, saßen – oder hockten – neben ihm wie zwei batteriebetriebene Buchstützen. Die beiden konnten keine fünf Sekunden lang still sitzen und sahen mit ihren blauen Augen und blonden Haaren fast wie Zwillinge aus.
Sie sehen aus wie Ella.
Micah verdrängte den Gedanken. Es war zwei Jahre her, aber sein Herz war noch nicht bereit für solche Vergleiche.
Eines Tages vielleicht, aber nicht jetzt.
„Gefällt er dir, Daddy?“, fragte Gary, der Lebhaftere der beiden, aufgeregt. Der Junge strahlte übers ganze Gesicht. Seinen leuchtenden Augen entging keine Bewegung.
Micah betrachtete den Becher vor ihm. „Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht damit gerechnet habe“, sagte er. „Heute habe ich mit überhaupt nichts gerechnet.“
Es war Muttertag. Zugegeben, seit zwei Jahren war er für seine Söhne Mutterund Vater zugleich, aber ein Geschenk zum Muttertag hatte er nun wirklich nicht erwartet. Zum Vatertag, ja, aber ganz bestimmt nicht heute.
Der Becher war in eine ganze Rolle Geschenkpapier eingewickelt gewesen. Gary hatte stolz verkündet, dass das sein Werk war.
„Aber ich habe die Klebestreifen draufgetan“, verkündete Greg.
Micah lobte ihre Teamarbeit.
Auf dem Becher standWorld’s Greatest Mom in pinkfarbenen und gelben Keramikblumen. Micah musste lächeln und schüttelte den Kopf. Na ja, wenigstens hatten seine Söhne das Herz am richtigen Fleck. „Ich … glaube, ihr zwei habt das Prinzip nicht so recht begriffen“, sagte er.
Gary runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. „Was ist ein Prinzip?“
„Eine Idee, eine Vorstellung …“
Micah verstummte. Als Ingenieur, der bei Donovan Defense, einem großen Rüstungskonzern, in der geheimen Abteilung für Raketenabwehrsysteme arbeitete, neigte er dazu, Dinge sehr ausführlich zu erklären. Aber angesichts des zarten Alters seiner Söhne war eine kurze Antwort wohl besser.
Also probierte er es noch mal. „Das ist die Art, wie man etwas versteht. Ich bin sehr gerührt, Jungs, aber ihr wisst, dass ich nicht eure Mom bin, oder? Ich bin euer Dad.“ Er sah von Gary zu Greg.
„Das wissen wir“, versicherte Gary ihm, als wäre es dumm, seine Eltern miteinander zu verwechseln. „Aber manchmal machst du Sachen wie eine Mom“, erinnerte er seinen Vater.
„Ja, du backst Kekse, wenn ich krank bin“, warf Greg ein.
Und das öfter, als mir lieb ist, dachte Micah. Greg war nicht nur klein für sein Alter, er war auch früher als geplant zur Welt gekommen, und sie hatten ihn in seinen ersten zwei Lebensjahren immer wieder ins Krankenhaus bringen müssen.
Die vielen verschiedenen Medikamente, die er hatte einnehmen müssen, hatten sich nicht gerade positiv auf sein Immunsystem ausgewirkt. Deshalb war er viel anfälliger als sein älterer Bruder.
Und jedes Mal, wenn er krank wurde, ließ Micah ihn nicht aus den Augen, weil er Angst hatte, dass der Junge wieder ein