: David Lochner
: Storytelling in virtuellen Welten
: Herbert von Halem Verlag
: 9783744504690
: Praxis Film
: 1
: CHF 21.50
:
: Fotografie, Film, Video, TV
: German
: 300
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
David Lochner gibt einen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten des Erzählens im virtuellen Raum. Ob Animationsfilm, digitales Spiel oder interaktiver Film - sie alle bieten Autoren und Produzenten neue Wege, Geschichten zu erzählen: Visionen, Träume und Welten zu entwickeln, die das Publikum noch nicht gesehen hat. Die zunehmende Digitalisierung hat nicht nur den Film revolutioniert, sondern auch neue Medien erschaffen, wie das digitale Spiel und den interaktiven Film. Herkömmliche dramaturgische Plot-Szenarien werden durch interaktive Erzählschemata neu definiert und erschaffen. Der Nutzer schreibt die Geschichte mit. Was dem Spieler große Freiheit bringt, bedeutet für den Autor eine neue Sicht aufs Storytelling. Durch das Internet können wir diese virtuellen Welten in Form von digitalen Spielen, wie World of Warcraft oder Second Life, betreten und uns in Netzwerken austauschen. Spieler greifen erstmals kreativ in das Geschehen ein und nehmen Einfluss auf den Handlungsverlauf. Der Autor tritt dabei in seiner Funktion des Geschichtenschreibers einen Schritt zurück und gibt Inhalte an die Konsumenten ab. David Lochner zeigt, dass virtuelle Welten mehr sind als eine digitale Alternative zum Kinofilm oder Roman. Sie müssen deshalb als eigenständiges Medium betrachtet werden. Als Medium, das nach eigenen erzählerischen GeSetzmäßigkeiten funktioniert und neue Ansprüche an die Unterhaltung stellt.

David Lochner studierte Medienmanagement an der Hochschule Mittweida und schrieb seine Abschlussarbeit über den interaktiven Film. Seit 2009 engagiert er sich im Bereich Interactive Storytelling für die Forschungseinrichtung Gamecast TV und erforscht die Verschmelzung von Videospiel, Film und neuen Techniken zur virtuellen Filmproduktion auf der Basis digitaler Spiele. David Lochner unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und ist seit 2012 hauptberuflich in einer Stuttgarter Agentur für den Bereich Social Media und Advertising verantwortlich.

A2 DAS UNMÖGLICHE ERZÄHLEN


EINFACH DIE NATUR ZU IMITIEREN [...] VERSCHWENDET NICHT NUR DAS MEDIUM DER ANIMATION, SONDERN BELASTET AUCH DEN ANIMATOR ENORM.
GREG ROACH10

Eine Filmkamera kann immer nur das zeigen, was tatsächlich existiert. Damit sind dem Medium Realfilm von Anfang an Grenzen gesetzt, denn es schöpft seine Bilder immer aus der tatsächlich existierenden Welt, und diese hat ihre Grenzen. Einen Spielfilm zu produzieren, der in der realen Welt abgedreht wird, ist deshalb sehr aufwendig. So kommt es nicht von ungefähr, dass Regisseure angefangen haben, einzelne Teile ihrer Filme durch Animationen zu ersetzen, um weitere Sehanreize zu schaffe. Wer ins Kino geht, möchte zum einen eine ansprechende Geschichte erleben und zum anderen ein visuelles Spektakel geboten bekommen. Das ist teuer. Schauspieler müssen gecastet werden, ein Drehplan wird geschrieben der Wochen, ja sogar Monate für seine Umsetzung in Anspruch nehmen kann. Licht muss gesetzt werden, das Timing der Schauspieler abgepasst werden und nicht zu vergessen die ständigen Wiederholungen und Takes einer Szene, weil ein Kameraschwenk nicht passte oder der Schauspieler einen Versprecher hatte. Zum Vergleich: Eine Animation ist zwar mindestens genauso aufwendig in ihrer Produktion, aber in jedem Falle nachhaltiger in der Machart. Denn ist die virtuelle Welt fertig animiert, kann sie immer wieder genutzt werden. Der Wechsel von Tag und Nacht sowie Licht und Schatten sind nur ein Knopfdruck entfernt.

In der ersten Einstellung des FilmsDas Fenster zum Hof von Alfred Hitchcock, sieht der Zuschauer eine sehr lange Kamerafahrt durch den Hinterhof eines Hauses. Um diese Fahrt ohne Unterbrechungen und Zwischenschnitt zu drehen, musste Hitchcock lange Zeit mit seinen Schauspielern und dem Kameramann proben. Man stelle sich nun vor, Hitchcock hätte nach den Dreharbeiten festgestellt, dass die aufgenommene Szene nicht seinen Wünschen entspräche. Das Licht ist unzureichend gesetzt und hier und dort fehlen ein paar Requisiten. Dies wäre einer Katastrophe gleich gekommen: Denn da Hitchcock auf Film drehte, gab es nicht wie heute die Möglichkeit, Fehler, Verwacklungen oder Versprecher der Schauspieler im Schnittraum zu korrigieren. Er musste die Szene am Stück so nehmen, wie sie gedreht wurde. Film ist damit in seiner Machart auf die reale Welt eingeschränkt.

Ein Vergleich: Zu Beginn von David Finchers FilmFight Club sehen wir eine lange Einstellung, bei der wir durch das menschliche Gehirn fliegen. Vorbei an Synapsen, organischen Verzweigungen und Hirnströmen. Ein beeindruckendes Bild. Solch eine Perspektive wäre mit einer physischen Kamera in dieser Ausführlichkeit beinahe unmöglich. Zum anderen ist die Kamerafahrt in Fight Club in ihrer Bewegung und Tempo perfekt ausgerichtet. Die Animation ist lediglich mithilfe von CGI-Szenen in den Realfilm integriert – ein häufig genutztes Mittel, um schwer umzusetzende Darstellungen in Realfilmen abzubilden. Ähnlich können wir das inTerminator 2: Tag der Abrechnung beob