Kapitel 2 - Bastian -Ein Bulle zum Frühstück
Montag, 3. Dezember 2018
„Uuuääääh!“, krähe ich gähnend meinem Spiegelbild entgegen, welches dabei beschlägt, und strecke mich. Keine zwei Sekunden später wickle ich mir jedoch schon wieder die Decke um meinen Körper und zittere. „Brrrrr ... ist das heute kalt!“
Ich binBazz, der Rebell! Also eigentlich Bastian, aber mein Punkername istBastard, woraus ich - der Coolness wegen -Bazzdard gemacht habe. Voll individuell und so. Da meine Freunde aber fauler sind als kastrierte Kater, nennen mich inzwischen alle nur noch Bazz, was ich äußerst passend finde, da ich Bass in einer Hinterhofgaragenband namensBullenafterschmatz spiele. Daher passt mein Spitzname sogar im doppeldeutigen Sinn undnein, der Bandname stammt nicht aus meiner Gehirntüte, sondern aus der vonRatte, meinem besten Freund, der außerdem so etwas wie unseren Frontsänger darstellt.
Als wir vor drei Jahren bei einem Konzert unserer Lieblingsband waren, welches leider, weil unangemeldet, wegen Ruhestörung vorzeitig beendet wurde, brüllte er den bewaffneten Briefträgern hinterher. Er beschwerte sich lauthals darüber, dass ihm die Bullen den ganzen Abend versaut hätten und ihm dafür wenigstens den After schmatzen könnten. Wir haben uns alle kaum eingekriegt vor Lachen und so war der Name unserer jungen, wenig talentierten Krachgruppe geboren.
Freiheit, Rock ’n’ Roll und Sex sind meine Götter! Ich schlotze so gut wie jedem meine Meinung um die Ohren, egal, ob er sie nun hören will oder nicht. Ich erkämpfe mir meine Rechte, auch wenn ich sie selbst geschrieben habe, und ich haue jedem eine rein, der mir was verbieten will! Japp – das bin ich!
Eigentlich wollten meine Freunde und ich in die große, weite Welt hinausziehen, nach Neuseeland oder Kanada, aber stattdessen leben wir bis heute in diesem Furznest am Arsch Brandenburgs, in dem ich sogar geboren wurde. Jeder kennt hier jeden, die jungen Leute ziehen weg und die alten meckern den ganzen Tag herum. Wir haben alles und nichts richtig: so zum Beispiel einen Klamottenladen, der nur beschissene Nullachtfünfzehn-Mode für Rentner führt, einen Tante-Emma-Shop, dessen exotischste Früchte Bananen sind, und einen Bäcker, bei dem spätestens um zehn alle Brötchen ausverkauft sind. Ach ja und einen Land-Friseur, der noch nie was von azurblauen Dreadlocks mit Cherry-Neonpink-Strähnen gehört, aber dafür an dreißig verschiedene Grautöne im Sortiment hat, gibt es hier ebenfalls. Wegen dieses Armleuchters hab ich auch nur so schnöde hellblaue Haare in einem mittellangen Sidecut.
Ratte und ich wohnen mitLappen zusammen, der tagsüber pennt, weil er nachts als Putze in der Grundschule jobbt. Wir haben ein leeres Haus besetzt und eine muffige, zugemölte und doch lauschige Dreier-WG gegründet. Ratte heißt originär Benjamin, nur wer will schon wie ein Elefant mit Blümchenfetisch heißen? Lappen hat sich uns ursprünglich mal als Norbert vorgestellt, aber da er in seinem Zimmer geklaute Scheuerlappen hortet, passt der Spitzname viel besser zu ihm.
„Ratte!?“, rufe ich nun über den Flur in Richtung des Zimmers von meinem Mitbewohner. Dessen Tür besteht seit vier Monaten aus einem Duschvorhang. „Ey Dicker, bist du wach?“
„Mhrrrhh“, höre ich ihn maulen und in seinem Schlafsack rascheln.
„Es is halb zehn! Steh mal auf und guck, ob du noch Kohle hast!“
Damit meine ich tatsächlich keinen Zaster, sondern die schwarzen Brocken, die wir mit allem, was wir sonst so finden, zum Beheizen des alten Kachelofens brauchen. Was anderes haben wir nicht, um uns im Winter warm