: Angela Steinmüller, Karlheinz Steinmüller
: Computerdämmerung Phantastische Erzählungen
: Memoranda Verlag
: 9783948616816
: 1
: CHF 7.00
:
: Science Fiction
: German
: 310
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Compute dämmerung' bietet einen Blick auf die Vielfalt der Erzählungen der Steinmüllers abseits ihres Zyklus über das 'Steinmüller-Universum'. Auf eine strikte thematische Gliederung wurde verzichtet, nicht aber auf eine lockere Gruppierung um Schwerpunkte: In den meisten Geschichten geht es um phantastische technische Entwicklungen, die das Leben auf der Erde in einer nicht allzu fernen Zukunft gravierend verändern - seien es die SF-typischen Roboter und intelligenten Computer, das beliebige Kopieren von Sachen und Menschen, unheimliche Erscheinungen in den Datennetzen oder ungewöhnliche Erfindungen. Doch auch die biologischen Aspekte der Veränderung - gewollter wie ungewollter - kommen ins Bild, und am Schluss des Bandes findet sich ein Exkurs in Zukünfte weit über den Horizont unserer Zivilisation hinaus. Weit gespannt ist auch die Entstehungszeit der Erzählungen - die Jahre der Erstpublikationen reichen von 1979 bis 2010. Viele von den älteren Erzählungen wurden schon 2010 für 'Computerdämmerung' überarbeitet, für die nun vorliegende Neuausgabe aber auch zwei von den jüngsten. Ein ebenfalls neues Vorwort von Karlheinz Steinmüller ergänzt den Band. Angela und Karlheinz Steinmüller · Werke in Einzelausgaben · Band 6

Angela und Karlheinz Steinmüller zählten zu den führenden Science-Fiction-Autoren der DDR. Angela (*1941) ist Diplom-Mathematikerin, Karlheinz (*1950) Diplom-Physiker und Doktor der Philosophie, seit den Neunzigerjahren auch einer der angesehensten deutschen Futurologen. 1982 wurde der Roman 'Andymon' zum beliebtesten SF-Buch der DDR gewählt. Die Steinmüllers wurden viermal mit dem Kurd Laßwitz Preis für die beste deutschsprachige Erzählung ausgezeichnet - Angela allein, zweimal beide zusammen sowie zu dritt mit Erik Simon.

Duell der Tiger

Der Tag der Entscheidung beginnt wie jeder andere Tag. Waschen, Rasieren. Hunger stellt sich ein. Man streift sich mit mechanischen Bewegungen die Kleidung über, hat längst verlernt, den feinen Lavendelgeruch zu bemerken, vor Jahren programmiert als persönliche Note. Das flinke Roboterwägelchen aus der automatisierten Küche plaziert pünktlich das Frühstück auf den Tisch.

Aber Elton steht nicht der Sinn nach Gaumenfreuden. In seinem Hirn arrangieren sich Pläne, Tricks, Finten, Gegenfinten – Nijima, heute ist er dran! Lange genug blieb seine Herausforderung unbeantwortet! Eine Frechheit, ihm auf dem IFAC-Symposium über die Diagnose sozialer Systeme so in die Parade zu fahren! Wie die meisten Teilnehmer, wie auch er, Elton, war Nijima nicht real anwesend, sondern telepräsent, der Schatten eines schmalen Japaners auf einem Großbildschirm. Und dann hatte dieser schmale japanische Schatten ein Modell für die Ausnutzung von Migrationsraten für die soziale Parameterschätzung vorgeschlagen. Ein gut durchdachtes, ein umfassendes, ja ein elegantes Modell! – Es hatte nur einen Nachteil: Es ähnelte dem Modell täuschend, das er, Elton, während der letzten Wochen erarbeitet hatte.

Prioritätsstreit auf offener Bühne! Beschuldigung stand gegen Beschuldigung. Hatte Nijima seine Zugangscodes geknackt? Nicht auszudenken! Aber heute, heute würde Nijima dafür zahlen!

Das Roboterwägelchen sammelt auf gewohnte Weise die Krümel vom Tisch. Zeit, loszulegen. Vor Vorfreude pfeifend geht Elton in sein Büro, wo die verschiedenen Terminals schon mit einem Bereitschaftsblinken auf ihn warten. Er wirft sich in den Sessel, fährt mit der Rechten leicht über die Tastatur und meldet sich an.

Erst entspannst du dich ein wenig, denkt er, wirst ganz munter, sammelst Kräfte. Nijima kann noch ein wenig warten. Wie üblich läuft über einen Bildschirm links von ihm ein News-Ticker. Elton zieht es vor, Nachrichten direkt vom Schirm zu lesen – wozu sich die Wohnung mit Papier verstopfen?

NEUE FÄLLE VON COMPUTER-TERRORISMUS! WAS UNTERNIMMT DIE REGIERUNG DAGEGEN? Vor Interesse eifrig an der Unterlippe kauend, überfliegt Elton den mit Diagrammen und Fakten gespickten Artikel. Fast einhundert Unfalltote durch eine, wie es heißt, »minimale« Veränderung im Zielfunktional des Verkehrssteuerungsprogramms auf das Maximum der Karambolagen. Wie es Elton erwartet, hat die anarchistische TerrororganisationBlack Box die Verantwortung übernommen und zum Beweis das Störprogramm an die Behörden gesendet. In einem Video erklärt einer der »Boxisten«, daß sie durch diese und künftige ähnliche Aktionen eine »Decomputerisierung« der Gesellschaft erreichen wollen – zum Nutzen des kleinen Mannes.

Mit wenigen Klicks beschafft sich Elton das Störprogramm aus dem Datensafe der Stadtverwaltung. Richtig, genau das hattest du angenommen, ein cleveres Programm! Es sollte dich nicht wundern, wenn hinterBlack Box ein Tiger steckt, ein Mitglied des Tigers Club wie du, vielleicht der Black Tiger? – Und wenn du in einem der Wagen gesessen hättest? Nein, du fährst nicht zur Arbeit, du kannst deine Simulationsmodelle zu Haus entwickeln, denn du gehörst zur Computer-Elite des renommierten Instituts für Angewandte Systemanalyse, da kann dir keiner, das ist klar. Aber wenn dir doch einmal so ein dahergelaufener Nijima-San von der Universität Osaka in die Quere kommt den zerdrückst du mit deinen Pranken, nicht wahr, Tiger Elton?

EXPLOSION IN DER DOW CHEMICALS RAFFINERIE. Man vermutet Werkssabotage, spekuliert, daß die Konkurrenz den Prozeßrechner manipuliert hätte. Das ist eindeutig unter Eltons Niveau.

Und dann erscheint ein hochgewachsener Mann mit zerfurchtem Gesicht auf dem Bildschirm. »Dieser Herr behauptet, der bekannte Politiker Richard Ebner zu sein. Seine Person sei von