Kapitel 1
Lesen garantiert Erfolgserlebnisse.
Niemand sollte seine Haare am frühen Morgen im Küchenspülbecken waschen müssen. Wahrscheinlich kann ich froh sein, dass ich noch einen Rest Shampoo in meinem Reisekulturbeutel gefunden habe und nicht unser Spüli nehmen musste. Wobei das vermutlich sogar ganz gut ginge? Ich meine, es ist definitiv entfettend und riecht nach Limone und Basilikum. Wäre so eine typische Recherchefrage, wie sie sich mir auf der Arbeit fast jeden Tag stellt.
Mit bedenklich gesunkenem Gute-Laune-Level versuche ich es zum vierten Mal innerhalb der letzten anderthalb Stunden an der Badezimmertür. Bislang wurde ich knallhart ignoriert.
Ich hebe die Faust und klopfe höflicher, als es angesichts der Situation eigentlich angebracht wäre.
»Hau ab!«, brüllt Keira auf der anderen Seite, und dann schmeißt sie, um ihrem Befehl noch mehr Nachdruck zu verleihen, irgendwas gegen die Tür. Womöglich Lukes elektrische Zahnbürste. Hauptsache, sie hat sie nicht mit meiner verwechselt, so wie mein Klopfen gerade mit seinem.
Man sollte nie –niemals! – mit einem Pärchen in eineWG ziehen, das derart viele Probleme hat wie diese beiden.
»Keira, ich bin’s«, sage ich und hoffe, über dieses aggressive Schnaub-Atmen, das ich bis hier draußen hören kann, versteht sie mich überhaupt. »Kannst du endlich rauskommen? Ich hab gleich ein superwichtiges Meeting. Mein Outfit dafür hängt da drin bei dir.«
Weil ich so dumm war zu denken, ich könnte nach dem Aufstehen in Ruhe unter die Dusche und es – was für eine absurde Idee – danach direkt anziehen.
Keira dreht den Schlüssel brutal hart im Schloss herum und reißt die Tür auf. Mit Leidensmiene hält sie mir am ausgestreckten Arm den Bügel mit meinem tannengrünen Plisseekleid hin. »Wo ist Luke?«, faucht sie.
Ich beschließe, das als originelle Entschuldigung zu interpretieren. Sonst schlage ich am Ende noch völlig entnervt bei meiner Chefin auf.
»Ich glaub, er raucht eine auf dem Balkon«, rate ich, in erster Linie, damit sie dorthin stürzt und die Badbesetzung endet.
»Mistkerl!«, presst sie hervor und knallt mir die Tür vor der Nase zu.
Schade, Plan gescheitert.
Ich atme durch. Tief. Immer schön positiv denken: Wenigstens habe ich jetzt mein Kleid.
In meinem Zimmer finde ich nach einigen geschickten Sprüngen über Bücherstapel den einen freien Quadratmeter, den ich brauche, um es anzuziehen. Der Föhn ist auch im Bad, daher rubble ich meine Haare einfach noch mal ausgiebig mit dem Handtuch und eile dann zu meinem Auto. Eigentlich nehme ich zum Verlag das Rad, aber dafür bin ich diesmal viel zu knapp dran. Minzkaugummi statt Zähneputzen, schiefer klammer Dutt mit einem vergessenen Gummiband aus dem Handschuhfach – die Abrundung meines perfekten Starts in den Tag.
Ich starte den Motor, denn welche Wahl habe ich? Bereit oder nicht, um halb neun erwartet Chelsea mich, und was immer sie mir zu sagen hat, sind Big News – so hat sie es selbst in der Termineinladung formuliert, die übers E-Mail-Programm kam.
Ich fahre auf die Straße und werfe mir selbst im Rückspiegel einen Blick zu. Sieht so vielleicht eine Lektorin aus, die sich auf eine neue Herausforderung freut? Himmel, Chelsea wird denken, dass ich total verkatert bin.
Um die acht Minuten dauert meine Fahrt quer durch Oxford, dann erwische ich den letzten Parkplatz am Verlagsgebäude, einem großen, hellen Ziegelhaus mit romantischen Efeuranken und zwei Dachgauben, das sich nicht groß von den Wohnhäusern der Nachbarschaft unterscheidet. Vielleicht sollte ich direkt hier einziehen.
Mein Versuch, den dunkelblonden Knuddel auf meinem Kopf in einen stylischen Messy High Bun zu verwandeln, misslingt. Egal, wird schon gehen.
Ich wühle mein Glücksparfum aus meiner Handtasche und gönne mir einen Spritzer. Der fruchtig-frische Duft regelt meinen Puls ein bisschen runter. Den ersten Flakon hat mir damals mein Vater geschenkt, und obwohl das ein ziemlich guter Grund wäre, es nicht mehr nachzukaufen, kann ich irgendwie nicht ohne. Es ist albern, aber wenn ich es in der Na