Kapitel 1
Verdrossen beobachte ich die Reportermeute vor dem kleinen, spärlich ausgeleuchteten Park. Die Blitze ihrer Kameras zucken durch die Vollmondnacht und lassen grelle Punkte vor meinen Augen tanzen.
So ein Mist.
Das habe ich jetzt davon, zu dieser Unzeit noch ans Telefon gegangen zu sein. Aber wahrscheinlich wäre ich auch hier gelandet, wenn ich Jonathans Anruf ignoriert hätte. Naomi fühlt sich nämlich leider grundsätzlich dazu verpflichtet, den Hörer abzunehmen, und schleift mich dann jedes Mal zum Tatort.
»Die Presse dreht durch, wenn’s wieder eine Frau ist«, murmelt sie neben mir. »Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir:London in Angst vor dem Killer – Ripper schlägt erneut zu. In genau diesem Wortlaut. Wollen wir wetten?«
Ich schnaube. »Mit dir wette ich nicht mehr. Sonst muss ich den Abwasch noch drei Wochen länger übernehmen.«
Ein verräterisches Grinsen schleicht sich auf ihre Lippen. »Genau das ist der Plan.«
»Tja, da mache ich aber nicht mit. Das Geschirr hat gesagt, es vermisst dich.«
»Hör nicht auf diese lügenden Tassen! Tief in ihren kleinen Porzellanherzen lieben sie nur dich.«
»Könnte das eventuell daran liegen, dass sie bei mir keine Angst haben müssen, auf dem Fußboden zu zerschellen?«
»Das waren tragische Unfälle!«, echauffiert sie sich.
Wir drängen uns an einigen Presseleuten vorbei, die den Polizisten hinter der Absperrung Fragen zubrüllen. Mit dieser neugierigen Horde haben sie zum Glück alle Hände voll zu tun, sodass uns kaum jemand Beachtung schenkt.
»Hast du Coulter schon gesehen?«, frage ich und halte auf den Zehenspitzen stehend Ausschau nach einem karierten Hut.
»Bisher nicht. Bestimmt ist er wieder in die falsche U-Bahn gestiegen. Keine Ahnung, wieso ihm das ständig passiert.«
Wahrscheinlich, weil er im Gegensatz zu uns hier geboren wurde und sich deshalb um die ganzen Wie-funktioniert-die-Menschenwelt-Fortbildungen drücken durfte. Es ist mir ein Rätsel, wie ein so unzuverlässiger Mann unsere Kontaktperson bei der Londoner Polizei werden konnte.
Ich stöhne auf. »Er weiß genau, dass die Spuren von Magiegebrauch nicht ewig nachweisbar sind.«
In solchen Momenten bereue ich meine Entscheidung, bei der magischen Abteilung angefangen zu haben. Ein Job bei einer Cafékette wäre sicher entspannter gewesen als nächtliche Detektivarbeit. Aber aus irgendeinem idealistischen Impuls heraus musste ich ja unbedingt das hier wählen.
Naomi schiebt ihre Hände in die Taschen ihres Designer-Trenchcoats. »Was sollen wir denn jetzt machen? Ohne Coulter kommen wir da nicht durch.«
Ich lasse meinen Blick schweifen und bleibe an einem Polizisten hängen, der ganz allein den Westzugang des Parks bewacht.
»Erinnerst du dich noch an den Theaterunterricht in der dritten Klasse?«, frage ich dann.
Naomi schneidet eine Grimasse. »Wie könnte ich je das Jahr vergessen, in dem ich den tanzenden Baum gespielt habe?«
Ich grinse. »Lust auf eine neue Herausforderung, kleine Eiche?«
Sie lacht halbherzig. »Vergiss es. Das einzige Ablenkungsmanöver, das ich beherrsche, ist Angesagtes-Starlet-in-freier-Wildbahn. Klappt leider nur bei der Regenbogenpresse.«
Dank der teuren Kleidung und dem Tausend-Watt-Lächeln könnte Naomi tatsächlich alsTV-Sternchen durchgehen. Sogar um diese Uhrzeit sieht sie aus, als wäre sie gerade aus der Maske einer aufwendigen Produktion spaziert. Trotzdem muss ich ihr recht geben. Promijäger könnte sie ablenken, wenn sie es darauf anlegt. Die Leute da vorne sind jedoch wegen des vermeintlich neuesten Verbrechens eines Serienmörders hergekommen.
»Sag bloß, du willst das Ganze mir überlassen«, schmolle ich.
Sie zuckt mit den Schultern. »Jonathan hatdich angerufen. Ich bin heute nur zur moralischen Unterstützung dabei.«
»Behauptest du nicht immer, wir seien ein Tea