: Katharina Peter
: Erzählung vom Schweigen
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783751809313
: 1
: CHF 14.40
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 244
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eng umgrenzen die Schatten der Familie Karolina Estors Leben: Als drittes Kind wächst sie in dem zum Scheitern verurteilten Versuch ihrer 68er-Eltern auf, alles anders als die Generation zuvor zu machen. Während ihr Vater Klaus bestrebt ist, den Kindern alle Freiheiten zu lassen, und sie doch nur umso enger an sich bindet, verrät ihre Mutter Elke sowohl den Klassenkampf als auch Familienverbund und jettet stattdessen wie besessen für Großkonzerne um die Welt. Karolina indes beherzigt den mütterlichen Leitsatz vom Nichtschwachseindürfen und tröstet sich im Leistungssport, bis Konkurrenzdruck und das Verschwinden ihres Bruders sie auch diesen Halt verlieren lassen. Mit schmerzlich-lakonischer Offenheit verknüpft Katharina Peter Erinnerungsflicken ihrer Protagonistin zu einem Teppich deutscher Geschichte, rekonstruiert anhand eines Familienarchivs verschwiegene Schuld und verlangt ihrer Protagonistin alles dabei ab, denn: Gelingt es ihr nicht, ihre Geschichte zu formulieren und einen Sinn für sich zu schaffen, so geht sie verloren in dem Dunkel, das die Familie ist. Schonungslos und mutig, erschreckend und tröstlich dringt Peters Debütroman tief in die Geschichte ein und legt die Grundlagen unserer Gesellschaft bloß.

Katharina Peter, am 1980 in Bad Soden am Taunus geboren, studierte von 2002-2006 Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Während ihres Studiums erhielt sie Förderungen mehrerer nationaler und internationaler Theater. So war sie u. a. Teilnehmerin der International Residency des Royal Court Theatre London, Teilnehmerin der Werkstatttage des Wiener Burgtheaters sowie Stipendiatin des Autorenlabors am Düsseldorfer Schauspielhaus unter der Leitung von Thomas Jonigk. Mit ihrem Abschlussstück Maxi-Singles gewann sie 2006 den mit 10.000? dotierten Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes. Die Uraufführung der schwarzen Komödie über Sexualität und Einsamkeit inszenierte der Regisseur Wulf Twiehaus am Theater Heidelberg. Seit 2002 arbeitet sie als Autorin und Dramaturgin in freien Theatergruppen und wirkte in zahlreichen Projekten in Berlin und Hannover mit. Mit der Berliner Autorengruppe Kommando Torben B. konzipiert und realisiert sie seit 2012 interaktive Lesungsformate für Literaturfestivals wie u.a. SOUNDOUT! New Ways of Presenting Literature der Lettrétage oder 48-h-Neukölln.

2


Was war der Grund für den Niedergang ihrer Liebe? Was war es für eine Liebe? Was zog diese beiden im Innern so einsamen Menschen an? War es ihre Einsamkeit, von der sie selbst nichts wussten?

Ich hielt es immer für einen Widerspruch, dass Elke sich nicht in einen starken Mann, in einen klassisch männlichen Mann, in einen Beschützer-Typ verliebte. Dass sie führen wollte und dass sie vermutlich nichts anderes konnte, als zu führen, war andererseits nur stimmig.

Sie erzählte mir von einer früheren Liebe. Johan aus Kassel. Im Alter sprach sie öfter von ihm und sie hatte kein reines Gewissen. Ich glaube, sie ließ ihn für Klaus mies sitzen. Und verriet dabei ihre Herkunft und die Revolution. Johan kam aus einer Arbeiterfamilie mit kommunistischer Tradition. Sein Vater hatte nach der Machtergreifung der Nazis drei Monate im Konzentrationslager Breitenau gesessen. 1943 war er in eine Strafdivision an der Ostfront einberufen worden, den Krieg hatte er als Einbeiniger überlebt. Wenn Elke Johan zu Hause besuchte, erlebte sie ihren potenziellen Schwiegervater als gebrochenen Mann, der zu viel trank und nachts wahnhaft murmelnd die Wohnung auf und ab humpelte. Sie gestand mir, wie sehr sie die Atmosphäre in Johans Elternhaus beklemmt hatte.

Mit dem Marxismus-Leninismus war es Johan aber ebenso ernst gewesen wie ihr und die beiden hatten leidenschaftlich und erfolgreich an der Frankfurter Universität agitiert.

Vielleicht wäre es zwischen den beiden gut gegangen? Vielleicht war der größte Konflikt meiner Eltern doch die Klassenschranke? Der Milieu-Unterschied? Elkes uneingestandene Sehnsucht nach Wohlstand und ihre Abwertung von Klaus’ bürgerlicher Herkunft (bei gleichzeitigem Neid)?

Elke war durch Leistung der Armut ihres Elternhauses entflohen. (Sie weigerte sich, sich einzugestehen, unter der Armut ihrer Eltern gelitten zu haben. »Es hat mir nicht geschadet, es hat mir nicht geschadet …«)

Genossin Schneider. Als sie meinen Vater kennenlernte, engagie