Kapitel 2 - Sergej - Trautes Heim, Pech allein
16. Juli 1999 – der Tag, den ich mir schon vor Wochen im Kalender umkringelt habe.
Nach fast vier Stunden Fahrt erreiche ich endlich die letzte Abzweigung, welche auf einen holprigen Waldweg führt. Ein Schlagloch reiht sich ans nächste, sodass ich mit meinem geliebten kleinenMitsubishi Eclipse akaSchrottläubchen Slalom fahren muss, um nicht jedes einzelne davon zu begrüßen. Die Karre wackelt wie ein Kutter auf hoher See und auch der tiefer gelegte Unterboden scheppert einige Male beunruhigend, doch ich versuche das auszublenden.
Heute kann mirnichts die gute Laune verhageln! Nein, gar nichts! Denn heute ziehe ich zum ersten Mal in meinem Leben in eine eigene Wohnung! ... Na ja, in ein WG-Zimmer, um genau zu sein, aber für mich ist das dasselbe.
Im Radio läuftThe Bad Touch, der aktuelle Charthit der Bloodhound Gang, der meine gute Laune nur weiter befeuert.
»You and me, baby andnä nä nä nä nä ...«, singe ich lauthals mit, obwohl ich nicht mal die Hälfte verstehe, denn mein Englisch ist miserabel. »Dä dä dä let’s do it like on Discovery Channel – oh yeah man! Dü dü dü dü düdü dü düdüdüüü ...« Der Groove dieses affigen Songs macht mich noch hibbeliger, als ich eh schon bin, sodass ich mir nicht verkneifen kann, auf meinem mit Kunstfell überzogenen Lenkrad herumzutrommeln. Doch dann erreiche ich endlich das Ende des Weges und kann meinen Augen kaum trauen.
»Alter Verwalter! Wie geil ist das denn?« Ich halte an, steige aus und schiebe meine Sonnenbrille tiefer, um über ihren Rand schauen zu können. Der Anblick macht mich echt sprachlos. Hinter einem kleinen, weißen Lattenzaun beginnt ein Trampelpfad, der mit großen Schieferplatten ausgelegt ist. An dessen Ende steht, umgeben von hohen Laubbäumen und einzelnen Blumenbeeten, mein neues Zuhause: ein malerisches, efeubewachsenes Backsteinhaus mit halbrunden Fenstern, einem breiten Schornstein an der rechten Seite und einer gepflasterten Terrasse vor der Tür.
»Wow ... was’n zauberhaftes Hüttchen!« Gleich darauf beiße ich mir auf die Zunge, schaue mich um und hoffe, dass es keiner gehört hat. Verlegen räuspere ich mich, und auch wenn ich niemanden sehe, korrigiere ich zur Sicherheit trotzdem etwas lauter: »Ähm ... was ’nebrachialharte Baracke!«
Für die läppische Miete hatte ich ehrlich gesagt mit einer übel verwahrlosten, kleinen Bruchbude gerechnet. So einer, in der überall die Tapeten verschimmeln und bei der das Dach so undicht ist, dass man sich bei jedem Regenschauer wie in einer Tropfsteinhöhle fühlt. Kurz gesagt: so eine typisch abgeranzte, verlotterte Studentenbude. Alles hatte ich mir ausgemalt, aber niemals so ein ...Schmuckstück! Ja, man sieht dem Haus seine rund zweihundert Jahre Existenz schon deutlich an, doch es scheint all die Zeit sehr liebevoll gepflegt worden zu sein, denn ich entdecke auf den ersten Blick keine größeren Schäden.
›Abwarten! Wer weiß, wie es von innen aussieht‹, denke ich mir. Irgendwomuss einfach ein Haken sein. Wer wäre denn sonst so blöd, freiwillig nur die Hälfte des üblichen Mietspiegels zu verlangen?
Schnell ziehe ich den Zündschlüssel meiner roten Flitzmöhre ab und checke meine Frisette im Seitenspiegel. Ein paar Sekunden zupfe ich mir noch die gegelten, blondierten Strähnen zurecht, welche sich von meinem dunklen Ansatz deutlich abheben, und bringe auch den Rest wieder in Form. Mit offenem Fenster zu fahren, ist bei der Hitze zwar angenehm, aber haartechnisch jedes Mal ein totales Desaster!
Sobald ich fertig bin, schaue ich mich noch einmal etwas verwirrt um, denn neben den fehlenden Autos sind auch keine Fahrräder, Motorräder oder sonst was in der Richtung zu sehen. Und das, obwohl dieses Haus so abg