Prolog
Schon als ich die Tür öffne, schlägt mir das Herz bis zum Hals.
Ich schließe sie leise, obwohl niemand da ist, den ich stören könnte, und das Erste, was mir auffällt, ist der wie immer verschlossene Flurschrank.
›Er war wieder vor mir hier. Wahrscheinlich hat er bereits eine Nacht in diesem Zimmer geschlafen ... allein oder mit einem anderen ... wer weiß das schon.‹
»Warum lasse ich mich nur immer wieder darauf ein?«, seufze ich und ziehe meine Schuhe aus. Die Frage stelle ich mir inzwischen bis zu dreimal im Monat. Meist dann, wenn ich erneut in einem dieser Nobelhotelzimmer stehe, die einen extremen Kontrast zu meinem alltäglichen Leben bilden, das beinahe ausschließlich auf der Straße stattfindet.
Ich reiße mich selbst aus meinen Gedanken und schaue auf die stylische Wanduhr über dem Schreibtisch.
›Nur noch siebenundzwanzig Minuten. Das wird knapp.‹
Entweder ich drehe mich auf der Stelle um und gehe oder ich mache dieses Spielchen ein weiteres Mal mit und beeile mich. Lange überlege ich nicht, hänge meine Jacke an den Haken und gehe ins Badezimmer, auf das ich mich fast noch mehr freue als auf das Treffen an sich.
Wie immer ist in dem schwarz-weiß marmorierten Raum eine große, offene Dusche vorhanden, in der kostenlose Duschgels und Shampoofläschchen auf einer Ablage bereitgestellt sind. Auf dem trapezförmigen Waschbeckenrand liegen zudem frische Handtücher, ein verpackter Einmalrasierer, verschiedene Cremetütchen und ein nicht angeketteter Haartrockner.
Schnell ziehe ich meine Hose aus. Ihr folgen mein schwarzes Batman-Shirt und meine Shorts sowie beide Socken. Meine Sachen lege ich neben die Toilette auf den Boden, nehme alles, was ich zur Körperpflege brauche, und betrete die geräumige Dusche. Dort lasse ich das Wasser über eine große, perforierte Platte wie warmer Regen auf mich herunterprasseln.
»Haaaah ... ist das schön!«
Im Alltag kann ich mich nur mit einem Lappen an den Waschbecken der öffentlichen Toiletten abschrubben. Rasieren ist da nicht drin und genussvolles Ganzkörpereinweichen erst recht nicht. Wenn es ganz schlimm ist und ich es nicht mehr aushalte, pilgere ich zu einem Campingplatz, gehe in ein Schwimmbad, in einen Flughafen, in ein Fitnessstudio oder in ein Solarium mit kulantem Betreiber. Doch all diese Einrichtungen haben drei große Mankos. Erstens: Sie kosten Geld, teilweise sogar ganz schön viel. Zweitens: Wenn man zu verlottert aussieht, zu viel Gepäck dabei hat oder schon zu sehr müffelt, lassen sie einen dort gar nicht erst rein. Drittens: Es gibt nur offene Gemeinschaftsduschen und von Privatsphäre ist da keine Spur. Die einzige Ausnahme bilden Autobahnraststätten. Da hat man für vier Euro seine eigene, abschließbare Kabine und die ist meist auch noch mit Klo und Waschbecken ausgestattet. Nachteil: Ohne Auto kommt man da schwer ran.
Für einen Moment lehne ich mich an die Fliesen, denn mir wird ein wenig schwindelig. Trotzdem massiere ich die Spülung in meine nach Pflege lechzenden Haare ein. Während sie einwirkt, hocke ich mich langsam hin und rasiere mich komplett. Danach lasse ich mir das warme Nass noch gut fünf Minuten über den Körper prasseln, ehe ich es abstelle und aus der Dusche steige, um mich abzutrocknen.
Jetzt wird es ernst.
Die mir erteilten Anweisungen könnten wohl kaum eindeutiger sein, trotzdem ziehe ich noch einmal mein billiges Prepaid-Handy aus der Seitentasche meiner auf dem Boden liegenden Jeans und öffne die entsprechende Nachricht.
›Hotel Adlon Kempinski, Zimmer 402. Die Schlüsselkarte ist auf deinen Vornamen an der Rezeption hinter