: Judy. E. Boychuk Duchscher
: Überlebensbuch Pflege Erfolgreicher Berufseinstieg für Pflegefachfrauen und -männer
: Hogrefe AG
: 9783456761633
: 1
: CHF 29.20
:
: Pflege
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In der Pflegepraxis Fuß fassen und den eigenen Weg finden! Warum verliert die Pflege viele ihrer neu und gut ausgebildeten Pflegefachfrauen und -männer im ersten Jahr der Berufstätigkeit? Was erleichtert oder erschwert den erfolgreichen Übergang von Ausbildung und Studium in die Pflegepraxis? Die kanadische Pflegeexpertin und -wissenschaftlerin Judy Duchscher erforschte über zwölf Jahre hinweg das erste Berufsjahr in der Pflege. Ihre Erkenntnisse aus Interviews mit Neueinsteigenden erklären, wie sie den Übergang erleben und bieten Methoden und Instrumente zur Unterstützung junger Kolleginnen und Kollegen an. So wird das Buch ein wertvoller Leitfaden für Pflegefachpersonen, Pflegelehrende und Pflegeleitende. Die Autorin dieses Einsteigerbuches:•beschr ibt, wie Berufseinsteiger_innen den Übergang von -Ausbildung und Studium in die Pflegepraxis durchleben und ihn bewältigen können•erläutert die Faktoren, welche einen Rollenwechsel begünstigen, wie Stabilität, Vorhersehbarheit, Vertrautheit und Verlässlichkeit•identifi iert und differenziert Faktoren, die das Erleben des Übergangs in die Pflegepraxis beeinflussen, wie Rollenidentität, Verantwortung, Beziehungen und Fachwissen•bietet ein praxisbezogenes 'what to do'-Buch für Berufeinsteigerinnen und -einsteiger in der Pflege, das von Arbeitsorganisation über Bullying, Schichtarbeitsmanagement, Stellensuche bis bin zur interdisziplinären Teamarbeit und unterschiedlichen Settings der Pflege informiert•entwickelt empirische Modelle zum Verständnis von Praxisschocks, erfolgreichen Übergängen und Rollenwechseln in die Pflegepraxis•bietet praxisbezogene Methoden und einen Orientierungsrahmen für Einsteiger_innen, Praktiker_innen, Leitende und Lehrende für einen gelingenden Berufseinstieg, einen abgefederten Praxisschock und eine gute Teamintegration und -einbindung•unterstützt erfahrenere Mitarbeitende dabei, Pflegeeinsteiger_innen einzuarbeiten, zu begleiten, zu respektieren und langfristig zu binden.

|7|Geleitwort der deutschen Herausgeberin


Und ich war plötzlich eine von ihnen, von den Vollpflegekräften. Das war so eine Gefühlsmischung aus Entsetzen und Erstaunen. Es war ein kurzer Moment, wo man denkt: Überforderung ja, aber auch Freude, vielleicht, dass einem jemand sowas zutraut. Ja, vielleicht einen kurzen Moment auch stolz oder so… (Maria im Gruppeninterview1)

Den Übergang von der Rolle der Auszubildenden/Studierenden in die Rolle der examinierten Pflegefachkraft bezeichnetDuchscher (2012) im vorliegenden Buch als Transition mit den Zeichen eines persönlichen und beruflichen Umbruchs und Wandels: psycho-soziale Entwicklung in der Lebensphase einer/eines jungen Erwachsenen, psychische und emotionale Befindlichkeit und physische Stabilität sind Eckpfeiler dieser Transition. Begleitet ist sie auch von den Erwartungen, Hoffnungen und Wünschen der Auszubildenden/Studierenden an sich selbst und an andere (wie die vielfachen Zitate der Interviewten im Buch zeigen) und eingebunden in die gesellschaftlichen Anforderungen an die Pflege als Dienstleistungsberuf (Müller, 2020).

Im Original heißt das Buch von Judy Duchscher:From Surviving to Thriving, es ist ein Buch vom ersten Überleben in der Pflegepraxis zum Wachsen und Gedeihen.Thriving bedeutet auch Aufblühen und Entwickeln. Das ist ein aussagestarkes Bild, denkt man dabei an die jungen Pflegefachpersonen2, die während ihrer Ausbildung/ihres Studiums der Pflege und beim Einstieg in die Realitäten der Pflegepraxis vor Herausforderungen stehen, die – so zeigen die Studien vonDuchscher (2012;Duchscher & Cowin, 2004) – sie zu überwältigen drohen. Diese Herausforderungen treffen sie auf der gesellschaftspolitischen Ebene, in den Anforderungen durch die Veränderungen der Ausbildungspläne für die Pflege, im Kontext der besonderen Belastungen der Arbeitswelt und nicht zuletzt auf der Ebene ihrer individuellen Biografie und ihrer persönlichen und aktuellen Situation.

Gesellschaftspolitische Ebene


Pflege erbringt eine Dienstleistung im Auftrag der Gesellschaft. Neben den fachlichen und eng an die Disziplin gebundenen Bereichen spiegeln sich demnach in der Pflegepraxis die Fragen und Anforderungen der Gesellschaft. In ihrem Handeln sind Pflegefachpersonen zum einen abhängig von den Antworten der (Gesundheits-)Politik und der (Pflege-)Wissenschaft, müssen aber in ihrer Rolle als Anwält*innen des Patienten und der Patien|8|tin in seiner/ihrer individuellen Sitatuation selbst Antworten finden und in professionelles Handeln umsetzen. Hier hat ihnen in Deutschland das neue Pflegeberufegesetz in § 4 einen besonderen rechtlichen Vorbehalt möglich gemacht (Bundesministerium für Justiz, 2020).

In der Pflegepraxis spiegeln sich die spezifischen situativen Reaktionen auf die Fragen der Gesellschaft wider. Die folgenden Probleme sind nicht neu – nur die Lösungen und Antworten haben sich überdauert und müssen revidiert werden, sowohl in der Methodik wie auch in den dafür erforderlichen Kompetenzen der beteiligten Personen. Das kann verunsichern und ängstigen, birgt aber auch die Chancen für Innovationen und neue Wege. Das alles prasselt (in Gestalt der Lehrenden, der Kolleg*innen, des Teams, der Gesundheitseinrichtung) auf dieYoung Professionals (Duchscher, 2012) ein, fordert und überfordert sie gleichzeitig.

  • Wie bewältigen wir die globalen Gesundheitsprobleme? Im Umgang mit übertragbaren und nicht-übertragbaren Erkrankungen und der Migration zeigen sich die engen Verflechtungen der Pflege mit einer globalisierten Welt, den Traumata geflüchteter Menschen und den (auch internationalen) Entscheidungen der Gesundheits- und Sozialpolitik. Welche neuen Kompetenzen benötigen hier Pflegefachpersonen?

  • Welche Folgen haben die demografischen Veränderungen? Die Veränderungen der Altersstruktur bedingen veränderte Anforderungen in der Akutpflege und der Langzeitpflege: Die Pflege hat erweiterte Aufgaben in der Beratung, Gesundheitsförderung und Prävention; auch hier sind Kompetenzen gefragt, die über einen technisch-funktionalen Handlungsplan hinausgehen.

  • Was bewirkt die Änderung der Versorgungsbedarfe? Der Anstieg an multimorbiden Krankheitsbildern, an Hilfe- und Pflegebedürftigkeit, an altersbedingten chronischen Erkrankungen und an psychischen und psychiatrischen Erkrankungen fokussiert das Erleben von Kranksein und die subjektive Krankheitsbewältigung des betroffenen Menschen. Zu diesem Fokus gehören das soziale Netz der Patient*innen, ihre An- und Zugehörigen (Bezugspersonen), die Verfügbarkeit und der Einsatz von Ressourcen. Pflegefachpersonen benötigen hier Kompetenzen, die Versorgung optimal zu steuern und die Expertise der Patient*innen und ihrer Bezugspersonen einzubinden.

  • Wie positioniert sich die Pflege im wirtschaftsorientierten Markt? Gesundheitseinrichtungen sind in der Klammer einer Wirtschaftsorientierung und handeln in Kategorien wie Ökonomisierung, Effektivität und Effizienz in der Nachfrage nach den finanziellen Ressourcen: steigende Kosten für Diagnostik und Behandlung, mit den Forderungen einer Eindämmung der Personalkosten bei gleichzeitigem Fachkräftemangel und einem Skill-Grade-Mix der Bildungsabschlüsse, Qualifikationen und Kompetenzen.

  • Wie positioniert sich die Pflege in der interprofessionellen Zusammenarbeit? Die oben angesprochenenen Fragen verweisen auf eine Komplexität der Krankheitsverläufe. In der Versorgung sind es immer viele Disziplinen, die ihre Expertise einbringen auf ein situativ individuelles Krankheitsgeschehen: In den Vordergrund rückt diePatient*innengeschichte, dieFallgeschichte, dieFallvignette. Professionelles Handeln imClinical Reasoning der „Heimat“-Disziplin und interprofessionelles Versorgungsgeschehen treffen auf eine spezifische Situation: eine hohe Anforderung für Young Professionals.

Diese Fragen weisen auch auf zukünftige Herausforderungen für die Pflege hin, „die im Zuge gesellschaftlicher, demografischer, sozialer, epidemiologischer und technischer Entwicklungen sowie sich verändernder Familienstrukturen […] entstehen“ (Fachkommission nach § 53 Pflegeberufegesetz, 2020, S. 11). Diese Herausforderungen stoßen Entwicklungen an, die an die Bedarfe der pflegebedürftigen Menschen|9|angepasst werden müssen und die das berufliche Handeln der Pflege verändern werden. So bleiben Aus- und Weiterbildungen ein lebenslanger Prozess auf der Basis der folgenden Schlüsselbereiche:

  • Die Erkenntnisse der Pflege- und Gesundheitswissenschaft sind Basis und Begründung des professionellen Handelns.

  • Die gesundheitspolitischen Entscheidungen wirken sich unmittelbar auf den Handlungsspielraum, die Positionen und die Rollen der Pflege- und Gesundheitsfachberufe aus.

  • Die salutogenetische Sichtweise auf Gesundheit und Krankheit (Meier Maistretti et al., 2019) mit Begriffen wie Gesundheits-Krankheits-Kontinuum und Kohärenzgefühl prägt alle Versorgungsbereiche und den Umgang mit den pflegebedüftigen Menschen wie auch den Mitarbeitenden.

  • Das jeweilige Setting der Versorgung stellt die Anforderung für das berufliche Handeln der Gesundheitsfachpersonen und fordert unterschiedliche Kompetenzen.

  • Patient*innen sind die Expert*innen ihrer Erkrankung: ihr vorwissenschaftliches Verständnis von Gesundheit und Krankheit (Franke, 2012) und ihr Alltag in ihrer Lebenswelt sind Zentrum einer gelingenden Versorgung.

  • Die Versorgung orientiert sich an der indivuellen biografischen Erfahrung und des Erlebens der pflege- und unterstützungsbedürftigen Menschen und ihren An- und Zugehörigen. Es ist eine Grundhaltung der Gesundheitsberufe, ihnen achtsam, respektvoll und wertschätzend zu begegnen und sie partizipativ zu beteiligen als autonome Wesen. ...