DIE VITRINE
David Hammons, »Untitled (Hidden from view)« und Lothar Baumgarten, »Unsettled Objects« oder Show Case Studies
»Outrageously magical things happen when you mess around with a symbol.«
— David Hammons im Gespräch mit Laura Hoptman1
I
Auf dem Weg zum Büro des Direktors der Galerie Hauser& Wirth in Los Angeles passierte der Besucher am Ende eines langen Flures auch eine hochschlanke Vitrine, die aus einem hellen Holzsockel und einem Plexiglassturz bestand und offensichtlich leer war[Abb. 1]. Auf die launig gemeinte Frage des Gastes, ob dem Haus vielleicht die Ausstellungsobjekte ausgegangen seien, entgegnete der Galeriechef leicht süffisant: »Da müssen Sie schon etwas genauer hinsehen. Gehen Sie bitte mal in die Knie oder beugen Sie sich einfach nach unten.« Gesagt, getan. Tatsächlich konnte man jetzt einen größeren Spalt zwischen dem unteren Ende des Holzsockels und dem Boden sehen und in dieser Aussparung ließen sich in der Schattenzone zwei ebenholzschwarze Füße einer offenbar afrikanischen Skulptur erkennen. »Sehen Sie, nichts ist so, wie es auf den ersten Blick erscheint«, meinte der Galerist und setzte erläuternd hinzu: »Es handelt sich um eine Arbeit von David Hammons, ein afroamerikanischer Künstler, den Sie vielleicht kennen. Der Titel der Skulptur lautet »Untitled (Hidden from view)«. Sie stammt aus dem Jahr 2002.«2 Ein wenig peinlich berührt versuchte der Besucher, die Scharte seiner Tollpatschigkeit auszuwetzen, indem er beflissen betonte, es handle sich um eine vorzügliche Arbeit, die mit der Erwartung des Betrachters spiele. Aus Enttäuschung werde in dialektischer Wendung Überraschung.3
Die geschilderte Begebenheit wäre unbedeutend, lenkte sie nicht unmittelbar auf einige aktuelle und grundlegende Fragen.4 Denn einerseits führt sie exemplarisch in ein Kunstwerk ein, das die übliche Vorstellung eines Ausstellungsgegenstandes düpiert und darüber hinaus den Betrachter in seinem geläufigen kennerschaftlichen Selbstverständnis irritiert, ja mehr noch provoziert, indem es ihn auf ebenso ernsthafte wie spielerische Weise mit Fragen jener zwei Kulturen konfrontiert, die hier im Clash miteinander liegen. Kurz gefasst ließe sich von dem Kontrast zwischen der sogenannten westlichen Hochkunst und der traditionellen afrikanischen (»Stammes«-)Kunst sprechen, zwei Begriffe, deren Differenz in den vergangenen Jahrzehnten im Zeichen des Postkolonialismus heftig diskutiert worden ist. Andererseits leitet das zitierte Gespräch zugleich zu der Frage über, inwiefern die bildende Kunst den intellektuellen und wissenschaftlichen Debatten vielfach nicht nur vorausläuft, sondern vor allem auch Positionen beisteuert, welche die gewohnten Diskurse bisweilen in ihren Ergebnissen übertreffen. Die Hammons-Skulptur steht beispielhaft für die Befragung oder, noch grundsätzlicher, auch für die Infragestellung eines (Museums-)Systems, das völlig heterogene Dinge in und durch seine Vitrinen ohne Ansehen ihrer historischen und kulturellen Spezifität gleichschaltet und durch die Einschließung in einen Schaukasten mit der Aura westlicher Kunst ausstattet. Auf diese Weise werden die Objekte ihr