: Wolfgang Hermann
: Bildnis meiner Mutter Erzählung
: Czernin Verlag
: 9783707607895
: 1
: CHF 13.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 104
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Seit ihrer Eheschließung mit meinem Vater kannte Mutter vor allem eins: den Verzicht.« Wolfgang Hermann skizziert in seiner neuen Prosa feinfu?hlig und einprägsam eine Frau, die ihr Leben nicht so gestalten konnte, wie sie es sich erhofft hatte: selbstbestimmt, frei und ku?nstlerisch. Anneliese wächst im Vorarlberg der Zwischenkriegszeit auf. Sie will ihr eigenes Geld verdienen, mit ihrem eigenen Auto fahren und versucht, sich zu emanzipieren. Doch das ist nicht so einfach: Zunächst arbeitet sie unbezahlt fu?r ihren Vater im Sägewerk, später im Bu?ro ihres Mannes. Mit der Heirat scheint auch der Traum von Liebe und der Schauspielkarriere zu platzen. Kann sie sich von ihren gesellschaftlichen Fesseln befreien? Wird sie dem kalten, harten Ehemann entkommen? Wolfgang Hermann porträtiert in seiner Erzählung das Leben einer Bregenzer Tischlertochter, einer Frau und Mutter, die einer scheinbar unglu?cklichen Ehe zu entfliehen versucht. Gleichzeitig schafft er einfu?hlsam das Bild einer ganzen Generation aus einer Zeit, die uns staunen lässt.

Wolfgang Hermann, geboren in Bregenz, studierte Philosophie in Wien, anschließend lange Aufenthalte in verschiedenen Ländern. 1996-1998 Universitätslektor in Tokio. Lebt in Wien. Zahlreiche Bu?cher, u. a. »Herr Faustini verreist«, »Abschied ohne Ende«, »Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald«, »Das japanische Fährtenbuch«, »Walter oder die ganze Welt«, »Der Lichtgeher«, »Herr Faustini bekommt Besuch« und »Insel im Sommer«. Übersetzungen in zahlreiche Sprachen.

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Mit den längeren Schatten der Platanen auf dem Cours Mirabeau verblassen langsam die Farben und der kühlere Windhauch aus Nordwest, von den nach Arles reichenden Ebenen hinter Puyricard und weiter, von der Camargue und nordwärts, das Rhonetal herunter, löst da und dort vereinzelte welke Blätter aus den Kronen der Platanen, manche von ihnen trudeln, für einen Augenblick schwebend, wie Drachen an Schnüren auf die Promenade, wo die dicht an dicht Gehenden unachtsam über sie hinweggehen. Die Gehenden: Während die langsam herabsinkende Nacht mehr und mehr Raum einnimmt zwischen ihren Körpern, sehe ich ihre Augen steigen, aus der Nachmittagsmüdigkeit erwachen, dem lichterflutenden Abend entgegen mit der ohne Ende über den Cours, die Hauptstraße der kleinen Stadt Aix-en-Provence am Fuß der Sainte-Victoire, rollenden Wagenkette. Gut geschützt im Betrachten, will ich mit der Niederschrift über meine Mutter beginnen. Seit langem trage ich mich mit dem Gedanken, über sie zu schreiben, habe mir auch schon einen Ruck geg