: Johannes Laubmeier
: Das Marterl
: Tropen
: 9783608122305
: 1
: CHF 16.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Erinnerung hat ihre eigenen Gesetze. Je länger etwas zurückliegt, desto stärker tritt es einem vor Augen. So geht es dem Erzähler mit seiner Kind­heit in der niederbayerischen Kleinstadt A., die abrupt endete, als sein Vater bei einem Unfall starb. Um neu beginnen zu können, muss er sich der Vergangenheit stellen, den Wundern und Schrecken, den Torheiten und der Verklärung. Das Marterl erzählt von den innersten Fragen unseres Daseins, einfühlsam, poetisch und mit feinem Humor.  Nach Jahren der Abwesenheit fährt der Erzähler zurück in den Ort seiner Kindheit in Niederbayern. In der kleinen Stadt, die ihm erscheint, als wolle sie mit Folk­lore, Starkbierfesten und den Denkmälern bedeutsamer Männer die Zeit anhalten, versucht er, sich an seinen Vater zu erinnern. Und an den Verkehrsunfall, bei dem der Vater vor zehn Jahren starb. Doch ein Ort hat nie nur eine Gegenwart. Zwischen die Geschichte des Erzählers drängt sich das Leben eines Jungen. Die Angst vor einem Monster in einem Berg und ein fliegender Bär. Eine Liebe zur Blasmusik und die zu einer Frau. Kann die Erinnerung helfen, mit der Endlichkeit fertigzu­werden? Kann eine Heimkehr jemals gelingen oder muss sie vielleicht ein Mythos bleiben? So wie der Meeresforscher mit Taucherbrille und Regen­jacke an einem niederbayerischen Bahnhof. »Den Vater suchen, der doch längst nicht mehr lebt - eine Verrücktheit? Für Johannes Laubmeier eine notwendige Verwegenheit. Was im Leben nicht geht, gelingt ihm in der Literatur.« Wolfgang Büscher

Johannes Laubmeier wurde 1987 in Regensburg geboren und wuchs in Niederbayern auf. Er studierte Journalistik in Eichstätt und Sozialanthropologie in Cambridge. Er war Finalist bei den British Journalism Awards 2017 in der Kategorie »New Journalist of the Year« und arbeitet als Schriftsteller, Reporter und Übersetzer in Berlin. »Das Marterl« ist sein Debüt. 

Bilder Spaziergang Johannes mit Hund


Die Zeit ist eine zähe, langsam aushärtende Masse. Vielleicht gibt es sie gar nicht in diesem Moment. Sie haben die Rathausuhr abgehängt. Statt des großen Ziffernblattes klafft ein kreisrundes Loch. Das Rathaus wird renoviert, der gotische Dachreiter über dem barocken Wellengiebel und das steil zulaufende Dach sind verdeckt von Planen und Gerüsten. Arbeiter hieven Stahlstangen von Ladeflächen, ihre Rufe schallen über den Platz. Das Glockenspiel, 18 Glocken unterschiedlicher Größe, die an einem aus Metall gegossenen Rahmen um eines der Fenster hängen, und das die Bustouristen gerne filmen, weil es einmal am Tag »Gott mit dir, du Land der Bayern« spielt und ihnen beweist, dass sie in der Tat in Bayern sind, ist nicht mehr da. Auf dem First der Sankt-Barbara-Kirche hocken die Störche, aufgereiht, als hätte sie jemand dort platziert.

Im Sommer sitzen Männer unter den Sonnenschirmen vor der leuchtend gelben Fassade des großen Brauereigasthofs mit den geschwungenen Giebeln und dem Bild der Gottesmutter und trinken Bier, aber es ist Frühherbst oder spät im Frühling. Ich bin in meinen frühen Dreißigern, jedes Mal in