1. KAPITEL
„Ich habe etwas anzukündigen“, wandte sich Patrick Elliott an die im Raum versammelten Elliotts und unterbrach damit das Stimmengewirr unter den fast fünfzehn anwesenden Personen, die sich zur Silvesterfeier eingefunden hatten. Patrick hatte verlangt, dass nur Familienmitglieder und deren Ehepartner zu diesem Treffen erschienen.
Das muss ja eine wichtige Neuigkeit sein, dachte Gannon, ebenfalls ein Elliott. Er stand neben seinem Bruder Liam und beobachtete neugierig seinen Großvater, der im Salon des Familiensitzes Hof hielt. An diesem Abend funkelten die Lichter des Weihnachtsschmucks noch einmal an den Bäumen in drei Räumen auf diesem Stockwerk des über siebenhundert Quadratmeter großen Hauses aus der Zeit der Jahrhundertwende. Das Anwesen war stets ein Hafen für die Familie gewesen, ob bei Geburten oder – tragischerweise – Todesfällen oder ob in den Zeiten der stetig wachsenden Macht und des sich mehrenden Reichtums Patrick Elliotts und seiner Erben.
Sein Großvater, ein irischer Einwanderer, mochte inzwischen zwar siebenundsiebzig Jahre alt sein, hatte jedoch einen messerscharfen Verstand und schien die Pressewelt mit nahezu spielerischer Leichtigkeit zu beherrschen. Sein Zeitschriften-Imperium berichtete über alles, von seriösen Nachrichten über Prominentenklatsch und Showbusiness bis zur Mode.
„Es ist doch noch gar nicht Mitternacht“, scherzte Bridget, Gannons jüngere Schwester. „Du hast heute Abend frei, Großvater. Hast du vergessen, dass Silvester ist?“
Patricks Augen funkelten, als er auf sie zeigte. „Wie könnte ich, wo du doch hier bist und mich daran erinnerst?“
Bridget hob grinsend ihr Glas. Gannon schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Whiskey. Seine dreiste Schwester schaffte es immer wieder, ihren Großvater ein wenig auf die Palme zu bringen.
Patrick hielt einen Moment inne und sah zu Maeve, seiner zierlichen Frau, mit der er seit mehr als fünfzig Jahren verheiratet war. Die liebevollen Blicke zwischen den beiden rührten Gannon stets aufs Neue und lösten ein vages Gefühl innerer Unzufriedenheit bei ihm aus, dem nachzugehen er sich aber weigerte. Auch diesmal verdrängte er dieses Gefühl, während er den zärtlichen Ausdruck in den Augen seiner Großmutter bemerkte, als sie seinem Großvater zunickte.
Patrick wandte sich wieder an die versammelte Familie und verkündete: „Ich habe beschlossen, mich zur Ruhe zu setzen.“
Um ein Haar hätte Gannon sein Whiskeyglas fallen gelassen. Er hatte geglaubt, der alte Mann sei so sehr mit seinem Großkonzern verheiratet, dass er bis zum letzten Atemzug die Zügel in der Hand behalten würde. Gemurmel erhob sich im Raum.
„Heiliger …“
„Du meine Güte!“
„Meint ihr, er ist krank?“
Patrick Elliot schüttelte den Kopf und hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. „Ich bin nicht krank. Es ist einfach nur an der Zeit. Ich muss einen Nachfolger finden. Und da ihr euch alle bei verschiedenen Zeitschriften bewährt habt, fällt mir die Wahl nicht leicht. Daher bin ich zu der Einsicht gelangt, dass die einzig faire Chance darin besteht, jedem von euch die Gelegenheit zu geben, sich auf besondere Weise hervorzutun.“
„Was, um alles in der Welt, hat er denn jetzt wieder vor?“, flüsterte Bridget.
„Wusstest du etwas darüber?“, fragte Gannon seinen Bruder Liam, der in der Konzernzentrale arbeitete statt in einer der Zeitschriftenredaktionen. Es war allgemein bekannt, dass er von den Enkelkindern am vertrautesten mit Patrick war. Liam sah jedoch genauso verblüfft aus wie alle anderen im Raum.
„Ich hatte nicht die leiseste Ahnung.“
Die Neuigkeit schlug ein wie eine Bombe, denn die vier wichtigsten Zeitschriften des Verlags wurden von Patricks Söhnen und seiner Tochter geführt. So war Michael, Gannons Vater, der Herausgeber des führenden Nachrichtenmagazins „Pulse“.
„Ich werde den Herausgeber unseres erfolgreichsten Blattes zu meinem Nachfolger machen. Der Chef des Magazins mit dem größten Umsatz wird die Leitung der Elliott Publication Holdings übernehmen.“
Alle schwiegen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Drei Sekunden vergingen, in denen Gannon die geschockten Verwandten musterte. Er sah zu seinem Vater auf der anderen Seite des Raums, der ein Gesicht machte, als hätte er gerade einen Knüppel auf den Kopf bekommen.
Bridget schnaubte angewidert. „Das ist verrückt. Wie soll das funktionieren? Ist ihm eigentlich klar, dass ich dann gegen meinen eigenen Vater arbeiten muss, weil ich bei ‚Charisma‘ bin?“
Liam zuckte mit den Schultern. „Ist das schlimmer, als Geschwister aufeinanderzuhetzen?“
„Du meinst Shane gegen Finola?“, bemerkte Bridget, auf ihren Onkel und ihre Tante anspielend. „Die beiden sind Zwillinge. Irgendjemand muss Großvater zur Vernunft bringen.“
In diesem Augenblick trat Finola neben Bridget und sagte: „Er wird bei seinem Entschluss bleiben. Seht euch nur seinen Gesichtsausdruck an. Den kenne ich nur zu gut.“ Eine Spur Bitterkeit schwang in