: Thomas B. Morgenstern
: Grauerort: Kriminalroman
: MCE Verlag
: 9783938097816
: 1
: CHF 4.40
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 290
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Im alten Fort Grauerort wird eine grauenvolle Entdeckung gemacht: Es wird bei Renovierungsarbeiten hinter einer Mauer das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie wurde bei lebendigem Leib in den alten Katakomben eingemauert und ist qualvoll gestorben. Der Stader Hauptkommissar Paul Schlegel und sein Team ermitteln in dem alten Mordfall. Zeitgleich haben sie es mit einem weiteren Mord zu tun. Ein Friseur aus der Stader Altstadt wird erschlagen aufgefunden. Auf den ersten Blick gibt es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen… Im Laufe der Ermittlungen zeigt sich immer deutlicher, dass die beiden Fälle etwas miteinander zu tun haben. Die Ermittler stoßen dabei auf eine Gruppe von Neonazis, deren führende Köpfe als vermeintlich unbescholtene Bürger für eine rechtsnationale Wählergruppe für den Stader Stadtrat kandidieren…



Thomas B. Morgenstern, Jahrgang 1952, wagt sich mit der vorliegende Kriminalerzählung erstmals an einen historischen Stoff, dem er sich literarisch auf ganz besondere Weise nähert. Er lässt fiktive Zeitgenossen die Hauptperson Jacob Ovens darstellen, angereichert durch Erzählsequenzen in besonderer Form, deren Beherrschung hohes sprachlich-literarisches Können voraussetzt. Morgenstern hat das so brillant umgesetzt, dass durch diese unterschiedlichen Erzählperspektiven eine besondere Spannung entsteht. Der Landwirt und Diplom-Biologe Morgenstern, der auch einige Semester Germanistik und Theaterwissenschaften studiert hat, ist seit Jahren als Schriftsteller tätig. Im MCE-Verlag debütierte Morgenstern im Herbst 2005 mit seinem Krimi Der Milchkontrolleur, der zu einem Überraschungserfolg wurde. Für dieses Buch wurde er 2007 mit dem Osteland-Kulturpreis ausgezeichnet. 2008 folgte der Krimi Der Aufhörer, in dem der Milchkontrolleur Hans-Georg Allmers erneut ermittelt. Morgenstern lebt mit seiner Familie in der Elbmarsch bei Stade.

Kapitel 1

Zugegeben: Nicht jeder versteht, warum ich Hortensien verabscheue. Eigentlich meinte ich, Hortensien zu hassen, aber nach einem Gespräch mit meiner Tochter Hannah war mir klar, dass das so nicht stimmen kann. Ich habe das Gefühl Hass einfach nicht in meinem Repertoire. Das bedeutet nicht, dass ich gefühlsarm bin, aber ich kann mich einfach nicht in solche Auswüchse des Gefühlslebens hineinsteigern. Marianne hatte mir das oft vorgeworfen, sie meinte dann, ich sei so steif, als ob ich einen Stock verschluckt hätte. Sie wollte damit nicht meine Beweglichkeit kritisieren, sondern meine „innere Haltung“, wie sie es ausdrückte. Ich habe mich dann immer gefragt, wie sie mich denn gerne hätte? Sollte ich bei jeder Gelegenheit ausrasten oder mit aller Welt per Du sein? Beides liegt mir nicht. Für einen Polizisten ist das sicher keine schlechte Voraussetzung. Selbst gegenüber Marianne empfand ich keinen Hass, obwohl sie mich eiskalt mit mehreren Liebhabern betrogen hatte.

Hortensien sind es auch gar nicht wert, gehasst zu werden, sie sind einfach zu nichtssagend, ihr Rosa ist zum Beispiel kein richtiges Rosa, sondern einfach nur der geschmacklose Versuch, eine Farbe darzustellen. Das Blau ist kraftlos. Und dann blüht die Pflanze auch noch, als ob sie sich sicher sei, die Schönste zu sein. Kitsch in Pflanzenform.

Als Kind bin ich mit meiner Großmutter oft auf den Friedhof gegangen. Auf dem Dorf wurden die Gräber so gepflegt und betreut wie die heimischen Gärten. Es wurden kein Unkraut und kein Wildwuchs gestattet, und so musste ich häufig bei der Grabpflege helfen. Ich stiefelte dann als sechsjähriger Junge mit halbvollen Gießkannen an den Gräbern der Honoratioren des Dorfes vorbei – mein Großvater gehörte nach Einschätzung seiner Witwe natürlich auch dazu –, und auf jedem Grab, wirklich auf jedem, stand ein riesiger Hortensienbusch. In allen erdenklichen roten, rosa und blauen Schattierungen. Ich fand sie schon damals scheußlich. Friedhöfe und Hortensien, das gehörte in meiner Kindheit so fest zusammen, dass ich anfangs sogar dachte, wenn ich irgendwo in einem Garten einen blühenden Strauch sah, jemand läge darunter begraben. Meine Großmutter flüsterte mir ein, die Blumen würden anzeigen, we