Regeln, Angeber und das Sprechen einer Fremdsprache
Diejenigen von uns, die im Autismus-Spektrum sind, haben eine seltsame Beziehung zu Regeln. In gewisser Weise lieben wir sie. Sie funktionieren wie ordnungsbringende Gabelstapler, die man in Lagerhallen sieht. Das eine wird hier einsortiert, das andere gehört nicht dorthin, und wieder anderes wird aus dem Weg geräumt. Bei Regeln geht es nicht darum, uns zu sagen, was wirnicht tun sollen, sondern vielmehr darum, uns zu sagen, was wir tunsollten. Sie verhindern Chaos, Verwirrung und Stress. Sie schaffen Ruhe, wenn die Welt sich chaotisch und unberechenbar anfühlt. Regeln, so könnte man sagen, können unsere besten Freunde sein.
Andererseits können wir sie auch ein wenig überstrapazieren. Regeln für eine gesunde Ernährung können zu Essensritualen werden, die soziale Aktivitäten einschränken. »Regeln« für Hausaufgaben können zu Perfektionismus werden, der große Ängste verursacht. Deshalb lautet die wichtigste Regel für Regeln, dass sie fast nie absolut sind. Verwirrend, aber wahr. Es gibt Variablen, Ausnahmen und Ausweichklauseln, und weißt du was? Niemand macht alles immer richtig. Wir mögen »entweder/oder« viel lieber als »manchmal« oder »vielleicht«. Es ist keine große Überraschung, dass so viele von uns Spiele, Hobbys und Geschichten mit vorhersehbaren Mustern und logischem Aufbau lieben. Sogar unsere Vorstellungskraft bevorzugt Fakten und das Prinzip Gut gegen Böse: Science-Fiction, Fantasy oder historische Romane. Was soll ich sagen? »Vielleicht« ist einfach nicht unser Ding.
Wenn du das hier liest und ein Asperkid bist, hast du bereits etwas großes am Laufen. Du hast so viel Glück, dass du bereits weißt, was für eine Art von Verstand du hast. Ich habe erst als Erwachsene herausgefunden, dass ich im Autismus-Spektrum bin, ebenso wie meine eigenen drei Kinder. Das bedeutet, dass ich vierunddreißig Jahre damit verbracht habe, so zu tun, als wäre ich genau wie alle anderen. Was ich nicht war. Als ich aufwuchs, war ich immer »das Gehirn«. Es gab keine Bezeichnung wie »Aspie« oder »Asperkid« oder irgendetwas anderes als »Wörterbuchkopf« und »Alleswisser« und dergleichen.
Als ich älter wurde, habe ich mich auf der Bühne selbst geschaffen. Nachdem ich mit zwei Jahren angefangen hatte zu tanzen, war es in vielerlei Hinsicht viel einfacher, vor Hunderten von Menschen auf einer Bühne zu stehen, als mit einer Person in einem Raum zu sein. Wenn man ein Drehbuch oder choreografierte Tanzschritte hat, folgt man einfach dem Plan. Man kann nicht wirklich etwas falsch machen – und tatsächlich passiert etwas sehr Merkwürdiges, zumindest war es bei mir so. Mehr und mehr kam auf der Bühne mein wahres Ich zum Vorschein, und die Rollen, die ich spielte, sickerten in mein tägliches Leben ein … bis ich oft nicht mehr unterscheiden konnte, wann ich echt war und wann ich schauspielerte. Ich hatte so viele Drehbücher auswendig gelernt und Körpersprachen in mich einprogrammiert, dass ich nicht nur gut genug »schauspielern« konnte, um mich anzupassen, sondern sogar so etwas wie ein sozialer Schmetterling wurde. Ich kann dir sagen, dass ich nach all dem eine verdammt gute Schauspielerin bin.
Im wirklichen Leben trug ich Kostüme: Cheerleader-Uniform, Initialen der studentischen Verbindung, lange Haare, und ich wurde so gut darin, das »soziale Spiel« zu spielen, dass ich den Spitznamen »Flirt« bekam. Damals fand ich das ziemlich cool, rückblickend war es aber ziemlich traurig. Ich wusste nicht, dass ich autistisch war. Ich wusste nur, dass ich genug Jahre damit verbracht hatte, verarscht, ausgegrenzt, verspottet und verhöhnt zu werden. Genug Nächte, in denen ich weinte, weil ich morgens wieder zur Schule gehen musste. Genug Mittagessen, bei denen ich mich im Wald vor meiner Highschool verstecke, statt mir einen Sitzplatz zu suchen. Als ich also die Chance hatte, die Rolle des »Vamps« und des »Glamour-Girls« zu spielen, habe ich sie genutzt – bis zum Äußersten.
Der Wechsel von »Stre