Meine persönliche Mastzellgeschichte
Schon mein Weg in diese Welt begann holprig, denn das Kind wollte nicht atmen! Daher: Ab auf die Intensivstation! Nach einer Woche zog ich mir, so erzählte man mir, sämtliche Versorgungsschnüre. Zum Glück war das Kind also mit einem starken Willen gesegnet, den es noch sehr oft nutzen sollte.
Zum Schrecken meiner Mutter vertrug ich die Babymilch nicht. Mitte der 1970er-Jahre hatte man noch keine hypoallergene Spezialnahrung wie beispielsweise Neocate, zu der ich 40 Jahre später, aus dem größten Leidensdruck, weil ich nämlich sämtliche Nahrungsmittel nicht mehr vertrug, zurückkehren sollte.
Meine völlig hilflose Mutter rannte also zu einer Kinderärztin, da ihre Tochter nicht trank und ergo auch nicht zunehmen wollte. Die Ärztin verschrieb ihr Atosil-Tropfen (Promethazin) – ein starkes Sedativum, das mich einfach umhaute, wodurch mir meine Mutter quasi komatös die Milch einträufeln konnte. Wie ich das überlebt habe, weiß der liebe Gott. Sobald ich essen konnte, verlief meine Kindheit erstaunlich ruhig. Papa W.: »Gib dem Kind doch mal Bratkartoffeln!« Und siehe da, das Kind aß plötzlich und nahm sogar zu.
Schon in jungen Jahren fiel ich durch eine extreme Gelenkigkeit auf, was mich zu einem geliebten Sport brachte: Balletttanzen.
In meiner Jugend begannen dann die immer wiederkehrenden Magenschmerzen und die Übelkeit nach dem Essen. Das wurde von meiner damaligen Hausärztin der einfachheitshalber als Essstörung diagnostiziert! Gut – ich war klapperdürr, aber ich aß doch so gerne! Ich bekam bestimmt sechs Mal das Gastroskop in den Rachen geschoben, Ergebnis: chronische Magenschleimhautentzündung. Man gab mir Medikamente, sonst wurde nichts weiter unternommen.
Als 20-Jährige kippte ich das erste Mal bewusstlos vom Stuhl und wachte im Krankenhaus erst nach zwei Tagen wieder auf. Im Nachhinein kann ich das sehr gut rekonstruieren: Ich hatte einen Teller Linsensuppe gegessen und reagierte anaphylaktisch. Linsen sind bis heute ein Mastzelltrigger für mich. Leider erkannte der behandelnde Notarzt die Anaphylaxie nicht als solche, er verabreichte mir Valium, das mich in den nächsten Mastzellschub katapultierte.
Meine 30er liefen wieder recht ruhig.
Der Auftakt zu meinem Mastzelltheater begann mit Ende 30, als mir beim Zahnarzt eine Lokalanästhesie verabreicht wurde. Ich merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Ich bekam Atemnot und mein Kreislauf begann sich zu verabschieden. Meine arme Zahnärztin war überfordert, mein Mann wurde gerufen, der sofort den Notarzt anrief. Die Zusammenarbeit des Notarztes und meines Mannes rettete an diesem Abend mein Leben, da sie den anaphylaktischen Schock als solchen erkannten und mir Kortison und ein Antihistaminikum spritzten. Von da an war nichts mehr wie vorher. Ich brauchte tägliche Kortisongaben, um nicht wieder in die Anaphylaxie und begleitende Bewusstlosigkeit zu rutschen. Im stetigen Rhythmus von sechs Wochen durfte ich den Krankenwagen von innen betrachten und war regelmäßiger Gast in der Notaufnahme aller umliegenden Krankenhäuser. Niemand wusste etwas mit mir und den merkwürdigen Symptomen anzufangen! Meine Abwärtsspirale ging weiter, ich vertrug nur noch fünf Lebensmittel, ohne gleich bewusstlos umzukippen oder schwere Symptome zu bekommen, ich traute mich nicht mehr aus dem Haus und verlor jegliche sozialen Kontakte.
Aber letztendlich hat mich dieses Erlebnis »gerettet« bzw. den entscheidenden Hinweis darauf gegeben, dass etwas nicht stimmte. Denn nun ging ich auf die Suche nach der Ursache meiner komischen Symptome. Nicht, dass ich nicht schon bei Ärzten gewesen wäre: Stunden, ach was, Tage habe ich in Wartezimmern verbracht und unsinnige Diagnosen u