: David Engels
: Auf dem Weg ins Imperium Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der Römischen Republik. Historische Parallelen
: Europa Verlag GmbH& Co. KG
: 9783958905801
: 1
: CHF 24.00
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: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 544
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'ES GIBT ZEITEN IN DER GESCHICHTE DER MENSCHHEIT, IN DENEN OPTIMISMUS EINFACH NUR FEIGHEIT UND UNVERANTWORTLICHE VERBLENDUNG BEDEUTET.' DAVID ENGELS Steht die Europäische Union vor einem ähnlich spektakulären Systemwechsel wie einst die späte Römische Republik? Ja, sagt der deutsch-belgische Historiker David Engels in seinem in Frankreich viel diskutierten Bestseller: Anhand von zwölf Indikatoren vergleicht er verschiedene Aspekte der Identitätskonstruktion der EU mit Krisensymptomen der ausgehenden Römischen Republik - und zieht dabei beunruhigende Parallelen: Der Wandel von einer von Werteverlust, Dauerkrise, Reformstau und politischem Immobilismus gekennzeichneten Republik zu einem autoritären und konservativen Imperium zeichnet sich heute auch in der EU ab. Quo vadis, Europa? Für den Historiker David Engels steht fest: Die europäische Demokratie steht unwiderruflich am Abgrund. Der Professor für römische Geschichte vergleicht die Lage der Europäischen Union mit der Situation der dem Untergang geweihten späten Römischen Republik, indem er Zitate antiker Philosophen und Schriftsteller den aktuellsten Statistiken zur Lage Europas gegenüberstellt. Und entdeckt dabei verblüffende Parallelen: Immigrationsproblematik und Bevölkerungsrückgang, Materialismus und Globalisierung, Werteverlust und Fundamentalismus, Technokratie und Politikverdrossenheit, der Verlust von Freiheit und Demokratie - all diese scheinbar so modernen Probleme brachten bereits vor 2000 Jahren die Römische Republik ins Wanken und ermöglichten die Machtergreifung von Augustus. Engels' umfassende Forschungsergebnisse bestätigen Oswald Spenglers Studie Der Untergang des Abendlandes und ermöglichen ein neues Verständnis für die komplexen Probleme unserer Zeit. Sie zeigen aber auch, welche Weichen es zu stellen gilt, wenn das Schlimmste verhindert werden soll. Entscheidend für das politische Überleben der Europäischen Union, so seine Analyse, ist die Rückbesinnung auf die ureigene europäische Identität mit ihrer kulturellen Tradition, jenseits abstrakter Gleichmacherei.

Prof. Dr. David Engels, Jahrgang 1979, studierte Geschichte, Philosophie und Volkswirtschaft an der RWTH Aachen. 2008 wurde er an die Freie Universität Brüssel (ULB) berufen, wo er den Lehrstuhl für Römische Geschichte innehat. Darüber hinaus ist er Chefredakteur und Herausgeber der altertumswissenschaftlichen Zeitschrift Latomus. Engels' Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der römischen Religionsgeschichte, des seleukidischen Staates und der antiken wie modernen Geschichtsphilosophie.

EUROPÄISCHE IDENTITÄT, UNIVERSALISTISCHE WERTE UND SYSTEMKRISE


Dazu haben wir gleiches Blut und gleiche Sprache mit den Griechen, die gleichen Heiligtümer und Opfer, die gleichgearteten Sitten. Es wäre nicht anständig, wenn wir dies alles verraten wollten.88

Herodot

TOLERANZ: ETHNIZITÄT UND KOSMOPOLITISMUS


Europäische Union

Laut der oben angeführten Umfrage von Eurostat (EB 68) gehört für 16 Prozent der Europäer die »Toleranz« zu den drei Werten, die für sie persönlich am wichtigsten sind, und für 10 Prozent von ihnen zählt sie zu den drei für die Europäische Union richtungsweisenden Wertvorstellungen. Und tatsächlich ist in der Geschichte der Menschheit die Toleranz des jeweils »Anderen« ein herausragendes Merkmal für das Erreichen einer gewissen Zivilisationsstufe. Ihre Einordnung unter die Leitwerte einer staatlichen Institution ist also ein äußerst aussagekräftiges Kennzeichen89 – doch aussagekräftig wofür?

Die Herausbildung einer ersten Form kollektiver Identität beginnt in der Urgeschichte der Menschheit in dem Moment, in welchem sich der Einzelne mit der erweiterten ethnischen Gruppe identifiziert, der er durch familiäre Abstammung zugehört, und dementsprechend all diejenigen, die ihr verwandtschaftlich nicht angehören, als »Andere« ausgeschlossen werden. Identität ist also untrennbar verbunden mit Mechanismen von Ein- und Ausschluss, denn »durch ihre Identität definieren Menschen sich selbst und unterscheiden sich von anderen«,90 wie der Psychologe Donald E. Polkinghorne treffend definiert. Menschliche Gesellschaften basieren somit auf der Familie, dem Stamm und später dem Volk, das als ethnische Einheit sich ursprünglich auf die Annahme blutsmäßiger Verwandtschaft im weitesten Sinne gegründet hat und später ihr Fortleben durch Verweis auf die allen gemeinsame Sprache sichert. Selbstverständlich hat nun jede Kultur, sobald sie sich nach außen hin öffnet und in Kontakt zu anderen Gesellschaften tritt, ein reges Interesse daran, eine gewisse Duldung oder Toleranz dem »Anderen« gegenüber zu entwickeln, damit so ein geregeltes Verhältnis zu den sich dabei ergebenden kulturellen Mischformen entsteht. Sie muss deshalb die Ausschließlichkeit ihrer eigenen kulturellen Identität zumindest teilweise relativieren, um diese Öffnung nach außen aufrechtzuerhalten. Doch befindet sich eine Gesellschaft bereits in einem Stadium, in dem aus der Duldung des »Anderen« allmählich dessen Idealisierung geworden ist, während vorsichtige Selbstabgrenzung bereits mit einem Akt der Feindschaft verwechselt wird, müssen selbst die einfachsten Versuche, kollektive Identität überhaupt definieren zu wollen, als politisch unkorrekt erscheinen, da die entsprechenden staatlichen Institutionen sich nur noch für die Garantie der Autonomie des Einzelindividuums verantwortlich fühlen, nicht aber für das Überleben der durch sie ursprünglich gebildeten kulturellen Gruppie