1 Brutalität und Vernachlässigung: Ungerechtigkeit im Leben von Tieren
Tieren geschieht durch uns Unrecht. Dieses Buch zielt darauf ab, diese Aussage zu bestätigen sowie eine wirksame theoretische Strategie vorzuschlagen, um Ungerechtigkeit zu identifizieren und Abhilfemaßnahmen zu empfehlen: eine Version meines „Fähigkeitenansatzes“.
In diesem Kapitel werde ich zunächst auf unsere alltägliche, vorphilosophische Vorstellung von Ungerechtigkeit eingehen, die nach meiner Auffassung darin besteht, dass jemand danach strebt, etwas einigermaßen Bedeutsames zu erreichen, und von jemand anderem daran gehindert wird – und zwar zu Unrecht, sei es böswillig oder fahrlässig.
Dieser Gedanke bringt uns bereits auf die Spur meines Fähigkeitenansatzes, denn in diesem geht es zentral um sinnvolle Aktivitäten und um die Bedingungen, die es einem Lebewesen ermöglichen, diesen ohne Beeinträchtigung oder Behinderung nachzugehen oder, mit anderen Worten, ein sich vollständig entwickelndes Leben zu führen. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen, die sich in einer Engführung auf Schmerzen als das in erster Linie Schlechte konzentrieren, richtet dieser Ansatz sein Augenmerk auf zahlreiche verschiedene Arten von sinnvoller Aktivität (einschließlich Bewegung, Kommunikation, sozialer Bindungen und Spiel), die sämtlich durch das Eingreifen anderer blockiert werden können, und auf viele Arten dieser unrechtmäßigen Blockierung, sei es durch böse Absicht oder durch Unachtsamkeit.
In diesem Kapitel werde ich zunächst Tiere, die ein gutes Leben führen, mit Tieren vergleichen, die in ihrem Streben behindert werden, um so eine elementare Erklärung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit vorzubereiten. Als Nächstes werde ich unsere gewöhnliche vorphilosophische Vorstellung von Ungerechtigkeit betrachten, um zu zeigen, warum die Tiere in meinen Beispielen ungerecht behandelt wurden. Nachdem ich die Idee der unrechtmäßigen Behinderung einer bedeutsamen Aktivität entwickelt habe, werde ich drei Fähigkeiten untersuchen, über die sämtliche Leser dieses Buches verfügen und die die Tiere unserer Aufmerksamkeit und Fürsorge anempfehlen: Staunen, Mitgefühl und Empörung. Diese drei Emotionen sind zugleich Ressourcen: Wenn sie angemessen entwickelt und kultiviert werden, helfen sie uns, den umfassenderen ethischen und philosophischen Rahmen der Rechte von Tieren besser zu verstehen.
Diejenigen, die bezweifeln, dass Tiere einen Anspruch auf eine gerechte Behandlung haben und diesen auch einfordern dürfen, müssen bis zur Darlegung meiner Theorie inKapitel 5 warten, wo ich meine Argumentation für diesen entscheidenden Punkt vorstelle, da verschiedene Theorien unterschiedliche Antworten auf diese Frage geben. Um jedoch meinen wesentlichen Punkt in aller Kürze wiederzugeben: Alle Tiere, die menschlichen und die nicht menschlichen, leben auf diesem zerbrechlichen Planeten, von dem w