III.Identität und Wandel
Überblick
Die westeuropäische Gesellschaft am Übergang von der Antike zum frühen Mittelalter durchlief tiefgreifende Veränderungen, die in der Forschung zu Recht als „Transformation der römischen Welt“ beschrieben wurden. Dieser Veränderungsprozess lässt sich auf allen Ebenen der Gesellschaft erkennen. Inwiefern die stattgefundenen äußeren Umwälzungen langfristig alles Dagewesene auf den Kopf stellten und sich damit auch auf die damalige Wahrnehmung und Empfindung auswirkten, lässt sich eindrücklich am Beispiel vorherrschender Identitäten nachvollziehen. Im folgenden Kapitel möchte ich darum der Frage nachgehen, inwiefern sich nach dem Ende der römischen Ordnung die vorhandenen Identitäten veränderten und inwiefern auch neue Bezugspunkte entstanden.
1.Gleichzeitigkeit und Wandelbarkeit
Gundila
Der Historiker Patrick Amory hat in seinem sowohl viel beachteten als auch umstrittenen Buch von 1997 zur ostgotischen Identität in Italien auf das Beispiel des Soldaten Gundila aufmerksam gemacht (S. 149f.). Sein Schicksal ist auf einem fragmentarisch erhaltenen Papyrus (Ital. 49) überliefert, der einen Fall dokumentiert, der 557 vor Gericht verhandelt wurde: Gundila hatte um 539 seinen Besitz an das Heer Justinians verloren, erhielt es aber nach einem Gesuch gegenüber dem byzantinischen Heerführer Belisar († 565) und nach seiner Konvertierung zum katholischen Glauben vorerst zurück – also nach seiner Abkehr von der arianisch-gotischen Glaubensgemeinschaft. Im Rahmen eines späteren Feldzuges riss der Gotenkönig Totila aber diese Güter an sich und übertrug sie seinemcomes („Graf“) Tzalico. Daraufhin schloss sich Gundila Belisars Rückeroberungszug an – offenbar in der Hoffnung, so seinen Besitz wiederzuerlangen. Nach dem Sieg gegen die Goten gab der römische Heerführer die Güter aber nicht wie erwartet an Gundila zurück, sondern schenkte sie dem Kloster von St. Aelia. Darauf wandte sich Gundila direkt an den Papst Vigilius, der bereits an seiner Konvertierung zum katholischen Glauben beteiligt gewesen war und der sich nun auch tatsächlich für die Rückerstattung seines Besitzes einsetzte.
Amory unterstr