: Gertraud Klemm
: Einzeller
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218013833
: 1
: CHF 15.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 312
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wem gehört der Feminismus? Auf der Suche nach Frauensolidarität seziert Gertraud Klemm in ihrem neuen Roman das, was vom Feminismus übriggeblieben ist. Solange wir uns wie Einzeller gebärden, wird das nie etwas mit der Geschlechtergerechtigkeit. ; In Simone Hebenstreits neuer WG versammeln sich fünf Frauen aus verschiedenen Generationen, mit verschiedenen Ansichten. Was sie eint, ist ihr Widerstand gegen den drohenden Rechtsruck. Wahlen stehen an, und diesmal werden Herdprämien, Müttergeld und Abtreibungsverbote versprochen. In einem Reality-TV-Format diskutieren die Frauen öffentlich ihre Positionen, und bald zeigen sich die Bruchlinien zwischen ihnen und ihren feministischen Vorstellungen von Religion, Gender-Identität und Sexarbeit: Während sie einander vor laufender Kamera zerfleischen, nimmt die politische Wende ihren Lauf.

Gertraud Klemm, 1971 in Wien geboren, studierte Biologie und arbeitete als hygienische Gutachterin bei der Stadt Wien. Seit 2006 ist sie freie Autorin. Ihr Roman 'Aberland' stand 2015 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Für ihre Texte erhielt sie zahlreiche Preise, u.a.: Publikumspreis beim Bachmannpreis 2014, Outstanding Artist Award für Literatur 2020, Ernst-Toller-Preis 2021, Anton-Wildgans-Preis 2022. Zuletzt erschien ihr Roman 'Hippocampus' bei Kremayr& Scheriau.

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Simone


Januar


Eleonora hält die Leiter, an der die Farbdose hängt. Oberhalb von ihr pinselt Maren etwas über die Eingangstür, mit einem groben, verklebten Borstenpinsel und karamellfarbenem Lack. Ein Bienenstock: Marens Idee, nachdem sie die ganze Wohnung ausgemalt hatten. Nachdem sie die Vorhänge aufgehängt hatten. Nachdem sie die Hausregeln auf die Tafel geschrieben hatten, gemeinsam. Eleonora umklammert die Leiter fester als nötig.

Niemand soll behaupten können, nicht vor uns gewarnt worden zu sein, sagt Maren. Alle ziehen am selben Strang, und jede hat einen Stachel, mit dem sie unter Einsatz ihres Lebens zuzustechen bereit ist. Ist doch eine schöne Metapher, oder?

Simone sagt lieber nichts. Zu dick aufgetragen, die Metapher. Zu träumerisch. Was auf Insektenebene so großartig funktioniert, muss sich bei den Menschen nicht durchsetzen, will sie sagen. Aber ganz ohne Träume keine Visionen. Und ohne Visionen keine Veränderung. Und ohne Veränderung immer dieselbe Scheiße. Simone lächelt den Bienenstock an, der eine kleine Beule hat.

Werde Teil der Frauenrevolution. Mitbewohnerin

für nachhaltiges Wohnexperiment

»Bienenstock« gesucht. 300 € warm. Keine

Tiere, keine Männer, leider nicht barrierefrei.

Bewerbungen unterfamily@bienenstock.at.

Simone hört Eleonora staubsaugen, erst das Rattern über den Parkettboden, dann das Schlagen gegen die Stuhlbeine und Wände, dann das Umstecken des Aufsatzes und das Stochern in die Ritzen hinter den Heizkörpern, und endlich die Stille. Diese unvermeidliche Putzerei. Hochgeputzt hat sich in dieser Gesellschaft noch niemand, aber ohne Putzen geht nichts. Beim Putzen fängt die Gemeinschaft zum Stinken an. Das hat sich schon oft bewahrheitet. Simone hat Eleonora den Blick der beiden Neuen einfangen gesehen, letzte Woche, als sie vorgesprochen haben. Wie sie um sic