1. KAPITEL
Roland St. Sebastian, Baron of Kirkland, lehnte sich in seinem Kirchenstuhl in der Kapelle von Penacre nach vorn. Die farbenprächtigen Muster, die durch die großen bunten Glasfenster hinter dem Altar auf den peinlich sauberen Steinboden fielen, fanden nicht sein Gefallen. Vielmehr war Roland dadurch beunruhigt, dass die Zeit immer weiter voranschritt. Er zwang sich, jedes Anzeichen seines wachsenden Ärgers zu verbergen, als er das Kinn auf die gefalteten Hände stützte. Indes, er konnte den Ausdruck von Ungeduld und Missfallen nicht aus seinen zusammengekniffenen blauen Augen verbannen, während er zu den beiden anderen Personen im Raum sah.
Wo war seine Braut?
Einer der beiden war der Vater der Braut, Hugh Chalmers, Baron of Penacre, ein großer schlanker Mann mit zahlreichen grauen Strähnen in seinen dunkelblonden Haaren. Er stand stumm und zurückgezogen vor dem Altar, der mit kostbarem rotem Samt drapiert war und auf dem zwei reich verzierte goldene Kerzenleuchter standen. Neben ihm stand der ebenfalls prächtig gekleidete Priester, dem man ansah, wie unbehaglich er sich fühlte.
Als der Priester sich zu ihm wandte und ihm etwas zuraunte, gab Hugh wortkarg Antwort. Sein hagerer Körper blieb nahezu unbeweglich in der langen blauen Tunika mit einer Umrandung aus feinem dunkelblauem Damast. Roland sah, wie sein Blick rasch zu der geöffneten Tür am Ende des Raumes schweifte.
Immer noch blieb der Eingang leer.
Offensichtlich wartete auch Penacre mit Ungeduld auf das Eintreffen seiner Tochter. Roland wusste, der Baron hatte sich dieser Verbindung widersetzt. Doch das Warten machte keinen Sinn.
King John selbst hatte verfügt, dass diese Hochzeit stattfand. Der König hatte entschieden, dass die Kämpfe zwischen den Häusern von Penacre und Kirkland lange genug gedauert hatten, nachdem eine der kleineren Burgen Rolands zerstört worden war und damit auch viele Vorräte. Vorräte waren in diesen Zeiten nach den Kriegen im Heiligen Land knapp und daher von großer Wichtigkeit.
Rolands Gesicht verzerrte sich, und er fuhr sich mit der Hand durch sein schwarzes Haar. Er wollte nicht an den Krieg im Heiligen Land erinnert werden, genauso wenig wie er sich verheiraten wollte. Dieser Krieg hatte seinen älteren Bruder Geoffrey, der nach dem Tod des Vaters Titel und Ländereien erben sollte, das Leben gekostet. Roland fühlte sich noch immer nicht wohl als Erbe seines Vaters, wenngleich er schon vor dessen Tod im Jahre des Herrn 1200, ein Jahr nachdem König Richard sein Ende bei Châlus-Chabrol fand, das Land verwaltet hatte. Wenn nicht eine Reihe von tragischen Umständen eingetreten wäre, trüge er bloß den Titel des jüngsten Sohnes.
Indes wollte er seine Gedanken auf die bevorstehende Vermählung mit Celeste Chalmers richten. Obwohl die Tochter seines Feindes nicht die Braut war, die er selbst erwählt hätte, war sie unvergleichlich schön. Er hatte sie zwar nur ein einziges Mal im Audienzsaal des Königs gesehen, als John verkündete, dass eine Hochzeit die beste Lösung sei, um die Auseinandersetzungen zu beenden, doch Roland fand, dass sie als Gemahlin geeignet war.
Celeste Chalmers war nur Mittel zum Zweck. Er wollte Frieden und Wohlstand auf seinem Land. Ihr reiches Wittum sollte großzügig seine Bemühungen unterstützen, um den Besitz wieder in den gewinnbringenden Zustand zu versetzen, den die Ländereien hatten, bevor sein Vater sich der Hölle der Trunksucht hingegeben hatte. Darüber hinaus sollte diese Ehe sein Leben nicht wesentlich verändern. Die Aufgabe des Weibes war es, dem Gatten das Bett zu wärmen und legitime Erben zu gebären. Sie sollte seine Tafel mit ihrer Schönheit zieren und seine Bedürfnisse befriedigen, wenn er es wünschte.
Roland wollte nicht den Fehler machen, sein Vertrauen blind in die Hände einer Frau zu legen, wie es sein Vater getan hatte. Das war sein Untergang gewesen.
Liebe war für ihn bedeutungslos. Sie hatte seinen Vater in die Knie gezwungen, als seine Gemahlin ihn verließ, und erneut, als eine Frau zwischen ihn und seinen ältesten Sohn trat.
Roland schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Er wollte jetzt nicht daran denken. Wieder blickte er mit Ungeduld zu der offenen Kapellentüre.
Wo war das Mädchen, und was dachte es sich dabei, ihn so lange warten zu lassen? Sie sollte nicht denken, dass ihre Schönheit sie davor bewahrte, Rolands Befehlen zu gehorchen, war sie erst einmal sein Weib. Er warf Penacre einen abschätzenden Blick zu und sah die wachsende Enttäuschung des alten Mannes, der die Lippen zusammenkniff. Er hatte den Mann besser eingeschätzt, als dass er einem Mädchen so ein Verhalten erlaubte. Waren sie erst einmal am nächsten Morgen auf dem Weg nach Kirkland, sollte sie schon lernen, wo ihr Platz war.
Erst einige Stunden zuvor war er auf der Burg Penacres angekommen mit nicht mehr als vier seiner am engsten vertrauten Rittern als Gefolge. Roland hatte völlig zu Recht vermutet, als er dachte, dass man ihn nicht mit Falschheit empfangen würde. Er hatte indes auch gewusst, dass man ihm genauso wenig einen herzlichen Empfang bereiten würde.
Penacre hatte ihn begrüßt und in den großen Saal geführt. Nach kurzer Zeit wurde Roland aufgefordert, seine Männer zurückzulassen und in die Kapelle zu kommen, wo seine zukünftige Braut auf ihn warten sollte.
Penacre hatte freimütig eingestanden, als sie zu der Kapell