1. KAPITEL
„Du bist einfach gegangen?“, fragte Caitlyn Lattimore ungläubig. Sie war Alices verrückte Dates gewohnt, doch diesmal setzte sie sich auf ihrer Poolliege auf. Alice schob sich die Sonnenbrille in ihre welligen blonden Haare, goss sich ein weiteres Glas Chardonnay ein und schenkte Caitlyn nach, die ihr erstes Glas kaum angerührt hatte.
„Der Mann hat zwei Vorspeisen, Hummer und eine teure Flasche Wein zum Abendessen bestellt. Dann tut er so, als hätte er seine Brieftasche vergessen. Ich habe mich auf die Toilette verdrückt und die Kellnerin gefragt, ob ich durch die Küche verschwinden könnte, weil der Typ unheimlich wäre.“ Alice nahm die Sonnencreme und rieb sich die Arme ein. „Ich muss eine bessere Dating-Website finden.“
Caitlyn griff nach dem Sunblocker. Es war Anfang Juni, und schon ein Hauch von UV-Strahlung würde genügen, um ihre Haut deutlich dunkler werden zu lassen. Nächsten Monat standen mehrere Familienveranstaltungen an, und ihre Visagistin hatte tagelang daran gearbeitet, die perfekte Foundation für sie zu kreieren. Alice nannte das Luxusprobleme, und Caitlyn stimmte ihr zu. Sie hatte den Jackpot gewonnen, als die Lattimores sie vor vierundzwanzig Jahren adoptierten. Das zeigte sich auch jetzt, als sie am glitzernden Pool auf der Lattimore-Ranch saßen, ihre Weinflasche perfekt gekühlt und jemand vom Personal in der Nähe, um ihnen alles zu bringen, was sie wollten. Alice nannte es „Ritz Lattimore“, doch für Caitlyn war es einfach „Zuhause“.
„Wenn mir das passiert wäre, hätte ich die Rechnung bezahlt und mich die ganze Nacht geärgert“, erwiderte Caitlyn.
„Schätzchen, damit dir so etwas passiert, müsstest du dich erst mal verabreden. Diesen goldenen Käfig verlassen und dich in den Smog und Dreck hinauswagen, den wir Sterblichen die echte Welt nennen.“
„Du klingst wie Alexa.“ Alexa war nach New York City aufs College gegangen und dann nach Miami gezogen. Vor Kurzem war sie wieder zu Hause in Royal gewesen, zur Beerdigung von Victor Grandin.
Alice zog eine Braue hoch. „Es ist traurig, dass Laylas Großvater gestorben ist.“
„Ja. Alexa war zur Beerdigung hier, und Layla wäre es lieb, wenn sie auf Dauer bliebe, da sie als Anwältin unseren beiden Familien sehr helfen würde.“
„Hat das etwas mit dem Brief zu tun, der vor der Beerdigung kam? Du hast mir nie die ganze Geschichte erzählt.“
Caitlyns Magen zog sich zusammen. „Heath Thurston hat Anspruch auf die Ölrechte unter den Ranches der Grandins und Lattimores erhoben.“
Alice beugte sich vor. „Das passiert, wenn wir uns einen Monat lang nicht sehen – ich verpasse den ganzen Klatsch.“
„Es ist mehr als Klatsch. Die Ölrechte umfassen das Land, auf dem das Lattimore-Anwesen steht. Heath behauptet, Daniel Grandin wäre der Vater von Heaths verstorbener Halbschwester Ashley und dass Daniels Vater Heaths Mutter Cynthia die Ölrechte übertragen hätte. Er sagt, er habe Papiere seiner Mutter gefunden, die den Anspruch stützen.“
Alice sah sie mit offenem Mund an. Sogar sie war sprachlos. Der Gedanke, was der Verlust des Familienanwesens für ihre Geschwister bedeuten würde, hatte seit Victor Grandins Beerdigung an Caitlyn genagt.
„Woran ist Ashley gestorben?“
„Sie und ihre Mutter Cynthia sind bei einem Autounfall umgekommen.“
„Warum hat Victor Grandin Sr. die Ölrechte Cynthia übertragen und nicht Ashley?“
„Das wissen wir nicht. Mein Großvater hat das Dokument auch unterzeichnet, aber jetzt erinnert er sich an nichts mehr. Deshalb hat Victor Grandin Jr. einen Privatdetektiv engagiert, der herausfinden soll, warum sie die Ölrechte für unser Land abgetreten haben und ob Daniel wirklich der Vater von Cynthias Kind ist.“
Alice lehnte sich zurück. „Hast du Heath oder seinen Zwillingsbruder Nolan mal getroffen?“ Caitlyn schüttelte den Ko